Kreisklasse I: Anarcho-Truppe von Keres entführt beide Punkte aus Kriegshaber

Knappe 3½:4½-Niederlage unserer Dritten im Duell der Fahrstuhlmannschaften

Zur Einstimmung auf meinen Bericht über das erste Punktspiel der neuen Saison 2006/2007 in der Kreisklasse I muss ich ein paar einleitende Sätze vorausschicken, denn man kann nicht voraussetzen, dass sich auch jedem etwaigen Fremdleser automatisch die Bedeutung des gestrigen Aufeinandertreffens offenbart.
Sagte ich eben Aufeinandertreffen...?
Ach was - zu profan! Ich versuchs mal so: Zwei chaotisch rotierende Galaxien treiben aufeinander zu, kollidieren, und aus dem entstehenden Mahlstrom kann nur einer als Sieger hervorgehen... Tja, und wir waren es diesmal leider nicht.
Also, es gibt da in Augsburg so einen Schachklub der etwas anderen Art - man könnte es vielleicht auch wohlmeinend ein Sammelsurium von Underdogs nennen. Die Rede ist vom SC Keres Augsburg, einem typischen Kneipenschachklub, in dem einige ziemlich (hum) außergewöhnliche Leute mit (hum, hum) noch außergewöhnlicheren Gepflogenheiten dem Schachspiel und so manch anderem frönen.
Oder kennt sonst noch wer einen Verein, wo
- nach einem Mannschaftskampf die jeweiligen Verlierer gemäß einer mindestens 25jährigen Tradition eine Maß Goiß zahlen müssen? - an Vereinsspielabenden nicht das sonst immer mehr um sich greifende Rauchverbot herrscht, sondern - wie mich Hans Ostertag einmal augenzwinkernd belehrte - die typisch Keressche Rauchpflicht??
- der Spielabend nur dazu benutzt wird, um in einem Durchgang Blitzschach die Qualifikation für die folgende obligatorische Schafkopfrunde auszuzocken?
- selbst der Tod eines Spielers am Brett nur als feige Flucht vor einer drohenden Niederlage angesehen würde?

Wie ich also schon sagte: Der etwas andere Verein.
Naja, und wer unsere Truppe kennt...

Es versprach jedenfalls eines jener famosen Lokalduelle zu werden, auf die man sich schon lange im Voraus freut. Entsprechend war die Bude auch gerammelt voll von sensationslüsternen Zuschauern, die nur nach einem lechzten: panem et circenses - Blut auf den Brettern...

Und es floss Blut.
Massenhaft.

Brett 1: Die Keresianer haben für die neue Saison ihren bisherigen Frontmann Toni Lindenmair auf Brett 2 gesetzt, weil Toni sich nicht mehr jedes Jahr mit den immer gleichen Gegnern duellieren wollte. Für ihn übernahm der routinierte Stahlbad-Veteran Hans Ostertag das prestigeträchtige Spitzenbrett. Hans griff mit Weiß unseren Spitzenmann Peter Reichardt in einem Königsgambit an und setzte ihm bedrohlich zu. Unter hohem Zeitverbrauch schaffte es Peter zunächst, den Angriff von Hans weitgehend zu entschärfen und den Mehrbauern auch knapp über die erste Zeitkontrolle zu retten. Aber all seine Bemühungen, den Mehrbauern in einen Sieg umzumünzen, scheiterten, weil Hanseisenhart gegenhielt. Fünf Minuten vor Ende der Gesamtspielzeit schnappte sich Peter schließlich unter Preisgabe einer Qualität einen zweiten Bauern und bot zum x-ten Male Remis an.
Inzwischen stand der Kampf bereits 3 : 4 gegen uns. Indem Hans das Angebot annahm, machte er für die Keresianer den Sack zum Mannschaftssieg zu. Selbstverständlich war das nicht, denn am Ende hätte er mit 4 gegen (höchstens) 1 Minute bei unklarer Stellung Peter ohne weiteres regelkonform über die Zeit ziehen können - und ich behaupte mal, es gibt so manch einen Spieler, der das an Stelle von Hans auch getan hätte. Hut ab vor solchem Sportsgeist - neben dem halben Punkt geht damit auch Fairnesspreis Nr. 1 an Hans Ostertag.

Brett 2: Hier spielte Jens Ebeling mit Weiß gegen Toni Lindenmair. Die Partie mündete nach interessantem Mittelspiel in ein kompliziertes Endspiel mit ungleicher Materialverteilung: Jens hatte T+7B gegen T+S+4B bei Toni, wobei die weißen Mehrbauern allesamt noch weit zurück hingen und der schwarze Turm aktiv in die weiße Stellung eingebrochen war. Das Ding muss für beide Seiten extrem schwierig zu spielen gewesen sein, was im übrigen auch am Zeitverbrauch abzulesen war. Der für uns ungünstige Gesamtstand des Kampfes zwang Jens, Gewinnversuche zu unternehmen. So ging er ein nicht unerhebliches Risiko ein, um die Aktivität seiner Figuren zu erhöhen und sich bessere Chancen zu verschaffen. Das kostete ihn zwar den h-Bauern, aber auch das brachte die Stellung noch immer nicht aus der Remisbreite, und zwar für keine der beiden Seiten. Also Shakehands - mehr als ein Remis war hier wohl einfach nicht drin. Mangelnden Kampfgeist kann man Jens nach dieser Partie jedenfalls nicht vorwerfen.

Brett 3: Es ist mir schleierhaft, wieso irgendein Idiot hier beim Aufbau der Bretter den weißen b-Bauern auf dem Feld b2 aufgestellt hatte, nachdem doch bekannt war, dass für Keres an diesem Brett Hans-Peter Dillimann spielen sollte - besser bekannt unter seinem Künstlernamen HP. Und der korrigierte die Fehlaufstellung denn auch sofort mit seinem ersten Zug (1. b2-b4). Sein Opf..., äh, sein bemitleidenswerter Gegner hieß Thomas Städele (nebenbei bemerkt: HP hat nur bemitleidenswerte Gegner).
Sollte es in Augsburg wirklich noch Spieler geben, die den Paradiesvogel HP nicht kennen: Er pflegt einen ziemlich, nun, sagen wir mal, unkonventionellen Spielstil. Das legendäre Buch Schach für Tiger von Simon Webb könnte glatt aus seiner Feder stammen.
So erklärt sich jedenfalls, dass eine gleichermaßen schadenfrohe wie sensationsgeile Meute von Kiebitzen um Brett 3 stand und johlend Wetten anbot, welchen irrwitzigen Zug HP wohl als nächstes spielen würde. Tommi Städele hatte nämlichgerade HPs Sg5 mit h7-h6 angerempelt, während sich HP draußen befand, um seiner Rauchpflicht nachzukommen (siehe oben). Grölendes Gefeixe:
Ihr werdet sehen, der zieht jetzt bestimmt h2-h4, da trau ich mich drauf wetten!
Was denn, h2-h4?! HO-HO-HOOOOH, HA-HA-HAA!
Dann verstummt die Runde, denn der langhaarige Maestro kommt von der Rauchpause zurück. Wirft einen kurzen Blick aufs Brett. Denkt selbstverständlich nicht im Traum dran, den angegriffenen Springer wegzuziehen, sondern - okay, ihr ahnt es schon - er spielt natürlich h2-h4. Die Zuschauer wiehern.
Ich erspare mir den Rest. Unser Käptn ging gegen HP unter wie schon viele vor ihm. Friede seiner Asche.
Ach, und HP - wann lernst Du endlich, vernünftig Schach zu spielen...?

Brett 4: Daniel Birth, eines unserer hoffnungsvollsten Nachwuchstalente, das auch schon in der Schwabenliga eine gute Figur abgab, traf hier mit Weiß auf den starken blinden Spieler Hans Jagdhuber, unter anderemauch bekannt vom diesjährigen AFRO (immerhin 3½ aus 7 in der A-Gruppe). Daniel spielte aktiv und kämpfte wacker, wurde von seinem erfahrenen Gegner aber überzeugend an die Wand gespielt. Eine klare Sache.
Brett 5: Auch für unser anderes Nachwuchstalent Julian Niedermayer hingen die Trauben diesmal noch zu hoch. Julian hat erst vor wenigen Monaten bei der Deutschen Jugend-Einzelmeisterschaft in Willingen einen sehr beachtlichen 15. Platz (bei 96 Teilnehmern!) erreicht.
Grundsätzlich war er seinem Gegner Martin Ostertag spielerisch ganz sicher mindestens ebenbürtig - er hatte allerdings das Pech, von diesem in einen Stellungstyp gelockt zu werden, den er nicht verstand. Ich sage nur: Minoritätsangriff. Wer mit Schwarz gegen das Damengambit spielt, sollte diesen Mittelspielplan und das passende Gegengift unbedingt kennen. So aber wurde er von Martin einfach zusammengeschoben. Blöd gelaufen.Dabei würde ich jede Wette halten, dass Martin bei einem Match über 10 Partien gegen Julian Probleme hätte, die 50%-Marke zu erreichen. Aber was hilfts - hic Rhodos, hic salta.
Brett 6: Wenn die da vorne wie die Schießbudenfiguren aus den Latschen kippen, müssen eben die hinteren Bretter die Kastanien aus dem Feuer holen. Insofern war Detlef Czajka ein echter Lichtblick. Wie sich unser Mann aus Gifhorn gegen Josef Lang Stellungsvorteil erspielte, dann einen Mehrbauern abknipste und diesen im folgenden Endspiel mit gleichfarbigen Läufern sicher verwertete, wirkte auf mich sehr souverän. Klasse, Detlef!
Brett 7: Tja, Horsti, wärst Du letzten Mittwoch mal nicht so frech gewesen, hätte ich Dich heute nicht an die Wand zu pinnen brauchen. So aber hatten wir halt ne Rechnung offen... ;-)
Quitt?
Brett 8: Nicht nur am ersten Brett wurde ein Fair-Play-Preis vergeben - nein, auch hier am achten, dem sogenannten Skat-Brett, gab es einen (auch wenn sich die Keresianer schon beim bloßen Anblick des Wortes Skatreihenweise ihres Mageninhalts entledigen, da für sie nur Schafkopf the real thing ist - bei uns in Kriegshaber steht die Mehrheit eher auf gepflegtes Skatspiel).
Ach ja, Skat-Brett übrigens deshalb, weil Michael Voß eigentlich eher nur zufällig auf dem Stuhl vor Brett 8 saß, um auf das Eintreffen von zwei geeigneten Mitskatern zu warten. Letztes Jahr wollte er deshalb auch unbedingtbei Rosi in der 4. Mannschaft aufgestellt werden, weil da nach einem Mannschaftskampf immer zuverlässig eine Skatrunde zusammenging.
Aber zur Partie: Vossi mit Weiß, also wurde natürlich wieder der f-Bauer als erster ins Feld geschickt. Gegner der sympathische, aber manisch zeitnotsüchtige Hubert Lindenmair. In der Partie war eigentlich nie so richtig viel los, das Gleichgewicht der Kräfte dürfte immer so ungefähr gewahrt geblieben sein. Aber die Uhr! Die ist ja bekanntlich auch ein Mittel des Kampfes, und es war halt meistens Huberts Uhr, die lief. Und lief, und lief und lief... Die Zeitkontrolle schaffte er, aber auch die Nachspielzeit schmolz schnell dahin, und auf dem Brett stand ein Damenendspiel mit einem Pfund Bauern auf jeder Seite (jedoch kein Freibauer in Sicht). Objektiv zwar sehr remisträchtig, aber es erforderte ständigeWachsamkeit und war durchaus noch kein Fall für den Art. 10 Abs. 2 der FIDE-Regeln (also mit normalen Mitteln ungewinnbar oder untätiger Gegner - beides war nicht der Fall, so dass ein Remisverlangen meines Erachtens hätte abgelehnt werden müssen).
Tja, und so passierte hier mit umgekehrten Vorzeichen, nur noch etwas krasser, dasselbe wie später an Brett 1 zwischen Hans Ostertag und Peter Reichardt: Während Vossi noch fast eine Stunde Bedenkzeit auf der Uhr hatte, brachen bei Hubert die letzten wenigen Minuten an, so dass es Vossi ein Leichtes gewesen wäre, seinen Gegner zwar unsportlich aber legal über die Zeit zu heben. Zum Glück verzichtete er auf so einen Sieg und gab die Partie auf Huberts Vorschlag remis. Fair-Play-Preis Nr. 2 also an Michael Voß.

Tja, und was haben wir nun davon? Immerhin, was ich davon habe, weiß ich schon: Ich darf mich wieder ein Jahr lang mit Hohn und Spott überschütten lassen, wenn ich mittwochs als Gast bei Keres in der Kervansaray bin. Vielleicht besser, wenn wir Kriegshaberer den Schuppen nach dieser Schlappe eine Weile meiden...
Das andere Fazit: Seppl Lang und Horsti Reinert werden kommenden Mittwoch jeder eine Maß Goiß auf den Tisch stellen müssen.
Die Einzelergebnisse:
Kriegshaber III - SK Keres Augsburg I 3½ - 4½
1.Peter Reichardt - H.Ostertag½ - ½
2.Jens Ebeling - A.Lindenmair½ - ½
3.Thomas Städele - Dillimann0 - 1
4.Daniel Birth - Jagdhuber0 - 1
5.Julian Niedermayer - M.Ostertag0 - 1
6.Detlef Czajka - Lang1 - 0
7.Lothar Weimer - Reinert1 - 0
8.Michael Voß - H.Lindenmair½ - ½


Autor dieser Meldung:Lothar Weimer
Zuletzt geändert von: ALTDATENÜBERNAHME PROWIDE (am 05.12.2008)
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