17. Leipziger Open bzw. "Chronologie eines Niedergangs"

Wenn sich ein seit nunmehr 16 Jahren in Bayern lebender "Serbo-Schwabe" freiwillig ins sächsische Leipzig begibt, so ist das eigentlich schon ausreichender Stoff für einen erfolgreichen Roman. Kommt dann noch hinzu, dass die besagte Person dies tut, um an einem Schachturnier teilzunehmen, ist der Status eines "Bestsellers" vorprogrammiert! ;)

Dieser Umstand spielte sicher eine gewisse Rolle, als ich mich dazu entschloss, am 17. Leipziger Open teilzunehmen. Doch die Hauptgründe bestanden eher darin, dass ich aufgrund der Erfolge meiner Mannschaftskameraden etwas unter Zugzwang gesetzt und speziell in Leipzig trotz starker Gegnerschaft noch nie bezwungen wurde - immerhin 23 Partien!

In der Hoffnung, dass diese unglaubliche Erfolgsserie nicht abreißen würde, trat ich am 02. März die Reise in diese schöne Stadt an, obwohl mein körperliches Wohlbefinden nicht gerade besonders ausgeprägt war. Aber die Tatsache, dass meine Mutter Ihr Kommen eigens darauf abgestimmt hatte - es gibt ja noch drei Kinder, die es zu hüten gilt -, damit ich dieses Turnier mitspielen konnte, veranlasste mich, alle Bedenken über Bord zu werfen. Soviel darf bereits jetzt verraten werden: Diese Entscheidung war ein Fehler!

Am Turnierort angekommen, wurde ich von einem mir bekannten Teilnehmer mit den Worten begrüßt, dass ich dieses Mal fällig sei, weil mit GM Graf ein wahrer "Brecher" am Start ist. Ich kommentierte dies nicht weiter, fand aber den Gedanken belustigend, dass man eine "GM-Kanone" heranzog, um auf einen "FM-Spatz" zu schießen, und verabschiedete mich schnell, um im Hotel noch rechtzeitig mein Zimmer zu belegen. Das Zeitfenster, das mir dazu zur Verfügung stand, war recht klein, bestand doch die Wartezeit lediglich 15 Min., bevor die kampflose Niederlage eingetragen worden wäre.

1. Runde:

Mir gelang es, alles in der zur Verfügung stehenden Zeit zu erledigen und saß pünktlich meinem Gegner am Brett gegenüber, der 1880 Elo und 1815 DWZ aufwies. Eigentlich sollte alles auf einen kurzen Kampf hindeuten, doch scheute sich mein Gegenüber nicht, etwas zu demonstrieren, das bei mir die Alarmglocken schrillen ließ. Er war ein Jugendlicher!

Aufgrund meiner langjährigen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen habe ich gelernt, diese Klientel in einem Turnier zu "hassen"! Meist sind ihre Zahlen sehr niedrig - zumindest spiegeln sie ihre Spielstärke nicht wider -, dafür sind sie äußerst motiviert, haben ein feines taktisches Gespür, rechnen schnell und erweisen sich als zäh. Der SKK-Jugendkader lässt grüßen! :)

Die Partie begann mit einen Schlagabtausch unserer Theoriekenntnisse, den ich im 18. Zug wesentlich verlangsamte, indem ich mir eine Auszeit von 27 Minuten gönnte, um einen guten, doch nicht unbedingt gängigen Plan zu finden, was mir dann auch gelang. Der Plan konnte sogar so gut in die Tat umgesetzt werden, dass ich bereits im 28. Zug sicher war, dass die Partie zu meinen Gunsten entschieden war. Und während mein junger Gegner vermutlich über eine ehrenvolle Kapitulation brütete, hatte ich ausreichend Zeit, mir das Teilnehmerfeld und die Turnierbedingungen anzusehen.

Das Feld war mit knapp über 100 Spielern nicht gerade groß und in der Spitze sehr schwach besetzt - ein GM, ein IM und dann kamen schon die FMs. Dies fand ich für den Veranstalter bedauerlich, waren doch die Spielbedingungen recht gut und auch das Preisgeld war meines Erachtens ordentlich. Woran es also gelegen haben mag, dass das Turnier keine weiteren GMs und IMs angezogen hatte, bleibt mir verschlossen. Ich kann dieses Turnier nur empfehlen, denn es verfügt nicht nur über gute Spielbedingungen, sondern auch über eine familiäre Atmosphäre und eine straffe Organisation (z.B.: pünktlicher Beginn!).

Mittlerweile hatte mein beinahe bemitleidenswerter Gegner gezogen und ich machte mich wieder daran, zum Finale anzusetzen. Das einzige, was meinem Sieg noch entgegen stand, war der zuletzt ausgebrütete Zug meines Gegners, dessen Sinn sich mir einfach nicht erschließen wollte. Da solche Dinge aber hin und wieder vorkommen, spielte ich munter weiter, um mir lediglich zehn Züge, nachdem ich meinen Gegner im "shake hands"-Modus gesehen hatte, die Frage zu stellen, wie ich das eigentlich gewinnen wolle?

Von diesem Zeitpunkt an begann ein langer und zäher Kampf, der von vielen Manövern meinerseits geprägt war, deren Sinnlosigkeit mir mein junger Gegner hin und wieder vor Augen führte. So ging es Zug um Zug und die Zeit verstrich. Der Turniersaal leerte sich und ich saß immer noch da und häufte kleinste Vorteile an. Als wir beide nur noch je vier Minuten Restbedenkzeit hatten, da entschloss ich mich zu einer letzten Offensive, die jenen entscheidenden Durchbruch erzielte, der meinen Gegner im 114. Zug (!!) zwang, die Waffen zu strecken - 1/1. Großen Respekt vor der Leistung dieses jungen Mannes, der sicher seinen Weg machen wird.

2. Runde:

Nicht nur, dass ich aufgrund der langen ersten Partie spät ins Bett kam, ich wachte auch mit einem Schnupfen und einem leichten Kratzen im Halse auf. Diese Entwicklung erfreute mich in keinster Weise, doch hoffte ich noch, dass ich die ersten Runden irgendwie überstehen würde bis jene Medikamente, die ich mir am Morgen in der nahegelegenen Apotheke besorgt hatte, ihre Wirkung entfalten würden.

Ich begab mich also zum Turniersaal, wo mir die Auslosung einen Gegner mit 2001 Elo und 1977 DWZ bescherte. Er sollte letztlich ein gutes Turnier spielen, hatte aber gegen mich das Pech, dass ausgerechnet die "Französische Verteidgung" aufs Brett kam, ein Thema, das aktuell im Kader-Training behandelt wird.

Trotz größter Anstrengung gelang es ihm nie einen Ausgleich zu erzielen, musste sich stattdessen unter schwersten Bedingungen verteidigen und unterlag letztlich recht schnell und chancenlos - 2/2. Der Sieg in dieser Art und Weise war für mich ungeheuer wichtig, konnte ich doch so mein Hotelzimmer aufsuchen und mich für einige Stunden hinlegen.

3. Runde:

Als der Wecker klingelte, da musste ich feststellen, dass die Intensität meines Schnupfens zugenommen hatte, wofür ich auch Kopfschmerzen begrüßen durfte - Super! Ungeachtet dessen machte ich mich auf den Weg, traf auf einen Prof. (2078 Elo und 2105 DWZ), der sich glücklicherweise für einen "Katalanen" entschloss. Glücklicherweise deshalb, weil er mir damit die Möglichkeit bot, eine sofortige Entscheidungsschlacht herbeizuführen. Diese hielt ich in meinem Zustand für angebracht, sah ich mich doch außer Stande, auch nur einen einzigen strategischen Gedanken zu fassen.

Ich sollte recht behalten, den der Prof. behandelte die Eröffnung eher suboptimal, sodass ich bereits im 17. Zug einen gedeckten Bauern auf c3 platzieren konnte! Was sollte mich also noch daran hindern, auch diese Partie schnell zu gewinnen und mich meiner Genesung zu widmen? Nun, die Antwort muss ich leider schuldig bleiben, doch Tatsache ist, dass diese Partie ca. 5 1/2 Std. dauerte und erst im 57. Zug aufgrund einer Zugzwang-Stellung zu meinen Gunsten entschieden wurde - 3/3.  Dieser Sieg war teuer erkauft, fehlte mir doch jetzt jene Zeit, die ich für die Erholung dringend benötigt hätte!

4. Runde:

Am nächsten Morgen wachte ich mit starkem Schnupfen, tränenden Augen und üblen Gliederschmerzen auf. Dafür waren wenigstens die Kopfschmerzen verschwunden, was ich als wichtigen Teilerfolg wertete. Deshalb ist es sicher nachvollziehbar, dass ich mich optimistisch zur nächsten Runde machte, in der ich es mit Weiß mit dem Favoriten GM Graf (2598 Elo und 2556 DWZ) zu tun bekam. 

Als ich ans Brett trat, da verspürte ich einen sprunghaften Anstieg meiner Chancen, denn der Favorit sah noch schlimmer aus als ich, zumindest redete ich mir das ein. Hinzu kam, dass nach der Zugfolge 1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. d4 exd4 4. Lc4! der Meister in tiefes Nachdenken versank! Ganz offensichtlich hatte ich ihn auf dem falschen Fuß erwischt, indem ich nicht wie üblich "Schottisch" spielte - Amateurherz was willst Du mehr?

Nach über 20 Min. entschloss er sich, nicht die am häufigsten gespielte Zugfolge zu versuchen, sondern mein Schachverständnis zu testen. Eine Wahl, die sich als sehr weise herausstellen sollte. Denn aufgrund meiner begrenzten Kräfte und einer unerklärlichen Euphorie wagte ich weiteres Mal die "Alles-oder-Nichts-Taktik", zeigte, dass ich überhaupt kein Verständnis für diesen Stellungstyp hatte und erlitt eine vernichtende Niederlage nach gerade einmal 20 Zügen, die in der Art vor allen Dingen durch eine erschreckend schwache Verteidigung ermöglicht wurde - 3/4. Schlimmer als die Niederlage an sich war, dass ich, wenn auch erst in der 27. Partie, meinen ersten Verlust in Leipzig unterzeichnen musste! Ich fühlte mich gebrochen, denn ich musste erkennen, dass ich nicht unschlagbar war! ;( 

Die anschließende kurze Analyse ging gänzlich an mir vorüber - leider kein Lerneffekt! :( -, wir verließen bald danach den Turniersaal und hofften wohl beide, dass wir die schlimmsten Symptome in den Griff bekämen.

5. Runde:

Die Mittagspause brachte die befürchtete Verschlechterung meines gesundheitlichen Zustands, doch da ich immer noch keine Kopfschmerzen und kein Fieber hatte, entschloss ich mich dennoch weiterzuspielen, bestand doch die Möglichkeit, dass sich noch alles zum Guten wenden würde, weil die 6. Runde erst in 24 Std. angesetzt war. Ungeachtet dessen machte ich den Turnierleiter darauf aufmerksam, dass ich unabhängig vom Ergebnis der 5. Runde, stark in Erwägung ziehe, vom Turnier zurückzutreten. Er erwiderte nur, dass ich erst einmal spielen solle und dann werde man weitersehen.

Mein Gegner (2098 Elo und 2015 DWZ) dachte sich wohl, dass er eine vom Schicksal begünstigte Gelegenheit erhalten hatte, mich zu schlagen und sprang mich entsprechend an. Was die Feinheiten der Stellung eigentlich waren, wofür ich meine Bedenkzeit verbrauchte und ob meine Züge wirklich die beste Erwiderung auf alles waren, das blieb mir alles verschlossen. Ich hing nur noch in den Seilen - Rocky lebt! ;) - und sehnte das Ende herbei. Entsprechend überrascht war ich, als ich plötzlich ein Remisangebot vernahm, das der Gegner wohl deshalb frustriert aussprach, weil es mir im 26. Zug gelungen war zu rochieren. Ich warf einen Blick auf die Stellung, stellte fest, dass ich nur eine Bauerninsel, während mein Gegner derer drei hatte, und lehnte "pflichtbewusst" ab - die Stellung der Figuren vermochte ich nicht zu beurteilen. Sechs Züge später stellte mein Gegner eine Mattdrohung auf, die ihn einen glatten Turm kostete. Meine Technik ließ er sich dann nicht mehr zeigen und gab glücklicherweise sofort auf - 4/5.

6. Runde:

Ungeachtet des Sieges in der 5. Runde suchte ich den Turnierleiter auf und wollte wissen, ob ich bis morgen Mittag Zeit hätte zu entscheiden, wie das Turnier für mich weitergehen solle, ohne jemandem einen kampflosen Punkt zu bescheren. Er verneinte, äußerte sich aber zuversichtlich, dass ich nun, mit 4/5 und Aussicht auf Preisgeld wohl weiterspielen würde.

Doch leider erfüllten sich seine Worte nicht und ich musste am folgenden Tag meinen Rücktritt verlautbaren. Anschließend legte ich mich wieder ins Bett und sammelte mich, um die Heimreise wieder antreten zu können.

Fazit:

Statt Ruhm, Ehre, Preisgeld und vieler Wertungspunkte gab es nur Frust, hohe Kosten und einen mageren Zugewinn an DWZ und Elo! Überhaupt gibt mir meine Gesundheit sehr zu denken, habe ich doch in dieser Saison schon mehrmals wegen plötzlich auftretender Krankheit einen Mannschaftskampf absagen müssen und damit wohl den Aufstieg unserer ersten Mannschaft verhindert! :(

Dieser Zustand ist nicht nur für mich, sondern auch für viele meiner Kollegen belastend, sodass unbedingt eine Lösung gefunden werden muss, sollte sich mein gesundheitlicher Allgemeinzustand nicht wesentlich bessern. Dass uns das gelingen wird, davon bin ich allerdings absolut überzeugt. :)

Auch lasse ich mich nicht allzu sehr frustrieren und plane jetzt schon ein weiteres Turnier, wobei ich inständig hoffe, dass ich dieses dann zu Ende spielen werde können!!

 

     

     



Autor dieser Meldung:Aleksandar Vuckovic
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