Zweite Mannschaft holt einen Brettpunkt mehr als Burlafingen


Betrifft Mannschaft: 2. Mannschaft (Schwabenliga II Nord)

Burlafingen ist kein Ort, den ich gerne besuche. Eine Autostunde, so weit wie kein anderer Spielort der Liga, vom heimatlichen Herd entfernt, am Rande des Freistaats gelegen, ist es lediglich ein Teil einer Stadt, die selbst auch nur Anhängsel einer größeren Stadt genannt werden kann. Mit nicht einmal einem Fünftel der Augsburger Einwohnerzahl gesegnet, schaffte es eine achtköpfige Auswahl in den vergangenen Jahren immer wieder, uns deutliche Niederlagen beizubringen. Beim jüngsten Treffen mit den Grenzanrainern waren wir von den Zahlen her um eine Rasierklingendicke favorisiert, und mit einem butterbrotpapierdünnen Sieg fuhren wir auch nach Hause.

Am ersten Brett begegnete Felix als Weißer dem Holländer seines Gegners, von dem man seiner Kleidung und seinem Schuhwerk nach glauben könnte, er wäre in jedem Spiellokal, in dem er am Brett sitzt, auch zu Hause, mit einem spiegelbildlichen Aufzug seines f-Bauren nach f4 und stellte einen respektheischenden Block aus Bauern auf c4, d4, e3 und f4 aufs Brett. Danach setzte er alles daran, lang zu rochieren, um dem kurz rochierten schwarzen König Ungemach bereiten zu können. Ich sah dann eine Zeitlang mehr auf mein Brett als auf Felix', und als ich wieder dorthinblickte, war der schwarze Königsflügel bis auf einen einsamen König, der wohl vor Angst zitternd gerade seine Notdurft auf g8 verrichtete, verschwunden. Den Kommandeur der dunklen Majestät beunruhigte dies dem äußeren Anschein nach nicht; in Ermangelung guter Züge machte er nun keine schlechten Züge, sondern gar keine mehr, bis der Lebensfaden vom fallenden Blättchen der Schachuhr durchtrennt wurde.

Die schwarzen Figuren am zweiten Brett wurden vom Berichterstatter geführt, der nach der Eröffnung sicherlich nicht schlechter stand, dann aber im Mittelspiel mit der Dame auf Abwege und im Endspiel auf den efeuumrankten, durch eine Pforte von zwei weißen Mehrbauern führenden kaltfeuchten Pfad der Niederlage geriet. Der Handreichung fiel mir durch den Umstand leichter, daß wir zu diesem Zeitpunkt schon vier und einen halben Punkt zu Buche stehen hatten.

Helmut hat schon viele gleichstehende Partien durch unendliche Geduld in langen Endspielen gewonnen, fast nicht mehr zählbar sind die Siege, die er in ausgeglichenen Stellungen durch anspruchslose, aber starke Züge zu erringen vermochte, und so war es wieder einmal seine Absicht, sein Gegenüber in einem sehr remisträchtigen Doppelturmendspiel zu überlisten. Die überraschende Nachricht, daß diese Partie genau komplementär zu sonst verlief, erreichte mich erst im Schachklub, nachdem ich schon mit dem ersten Auto zurückgefahren war.

Die übrigen Begegnungen befanden sich unterhalb meines Wahrnehmungshorizontes, weshalb ich mich nur auf kurze Zusammenfassungen beschränken kann, die aus einem Blick meinerseits und Erzählungen von anderen herrühren.

Peter spielte an Brett vier als Schwarzer Königsindisch, sein Gegner baute sich mit g3 auf und verlor. Am nachfolgenden Brett tauschte Bruno alle Figuren ab, geriet aber in ein verlorenes Bauernendspiel, das der Gegner dann auch ausreichend gut behandelte. Ein Brett dahinter kam Viktor medikamentensediert noch zu einem Unentschieden. Erichs Widerpart von Brett sieben lamentierte nach der Partie lautstark über ausgelassene Möglichkeiten; Erich hingegen nutze die sich ihm gebotenen und gewann. Von Buchi am letzten Brett könnte ich noch einige Bonmots von der gemeinsamen Autofahrt zum besten geben, von der Partie kann ich jedoch nur vermelden, daß er sie gewonnen hat.

Die Euphorie über den Sieg des Kollektivs läßt den Schmerz der Niederlage des Individuums vergessen. Die Würfel rollten zu Saisonauftakt in unsere Richtung und blieben mit viereinhalb Augen nach oben liegen. Vielleicht wird Burlafingen einmal ein Ort werden, den ich gerne besuche.


Autor dieser Meldung:Viktor Kaiser
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Kommentare zu dieser Meldung:

Name und ZeitpunktKommentar
Wolfgang Malcher schrieb am 17.10.2015 gegen 16:09 Uhr Toller Bericht! Gratuliere zum Sieg!
Viktor Kaiser schrieb am 17.10.2015 gegen 21:11 Uhr Lange nicht mehr so herzlich über einen Spielbericht gelacht!!! Ich bin schon gespannt was du über die Ortschaft Kötz und die Kötzer schreibst.
Dann wollen wir mal am 15.11.15 gegen Wertingen ( ein nettes, nah glegenes Städtchen, deren Schachspieler dankenswerter Weise auch noch zu uns kommen ) den nächsten Sieg des Kollektivs in`s Auge fassen.
Oli Adam schrieb am 18.10.2015 gegen 14:24 Uhr Genialer Bericht! Lasst euch den butterbrotpapierdünnen Sieg schmecken ;)


Der vorliegende Bericht ist älter als ein Jahr und kann daher nicht mehr mit Kommentaren versehen werden!
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