Kriegshaber III siegt gegen Friedberg 5½:2½

Von Ukraine-Power und Hexenäpfeln...

Neue Saison, neues Glück - und das werden wir bestimmt auch dieses Jahr wieder brauchen. Auch wenn der Friedberger Mannschaftskapitän Martin Baierlein uns in seiner Begrüßungsrede gleich ganz überschwänglich zum Favoriten der Liga hochstilisieren wollte, was natürlich schon arg dick aufgetragen war.

Mit zunehmendem Alter, wenn (wie bei mir) allmählich der Ruhestand droht, legt man sich am besten ein paar Hobbys zu. Manch einer fängt dann mit Tai-Chi oder sowas an, andere sammeln Briefmarken. Ich sammle jetzt Ämter. Neben dem als Klubspielleiter wäre ich kürzlich um ein Haar auch Materialwart geworden; seit Juli bin ich nun auch Spielleiter im Bezirk. Schiedsrichter sowieso. Mein neuestes Amt seit Beginn dieser Saison: Ich bin jetzt auch Kapitän unserer glorreichen dritten Mannschaft (ihr wisst schon - die Masters of Disasters...).

Meine erste Amtshandlung als frisch gebackener Captain bestand darin, am Vorabend des Kampfes unsere Ukrainische Stabilitätsachse (Denys Filin und Vladimir Belevtsov) für den Folgetag an den Spielort zu dirigieren. Dazu überreichte ich Vladimir einen in Schönschrift gemalten Zettel mit der exakten Anschrift des Gehörlosenzentrums in Friedberg-West (cave: mit Ort und Postleitzahl!), denn er wollte selbst dorthin kommen. Denys bestellte ich dagegen für punkt 17:20 Uhr zum  Zollhaus, wo ich noch Darko und Rosi aufsammeln und dann gemeinsam nach Friedberg loseiern wollte. So der Plan. - Bert Brecht dazu: Ja, mach nur einen Plan, sei ein großes Licht! Dann mach noch einen zweiten Plan, gehn tun sie beide nicht...

Nämlich: Immer wenn Kriegshaber einen Auswärtskampf hat, dann brauen sich Himmel, Schicksal und alle möglichen Unglücksgeister zusammen und überlegen sich allerlei Fiesheiten, wie sie unseren Schächern irgendwelche Knüppel zwischen die Beine schmeißen können. Genau wie in Theodor Fontanes Ballade "Die Brücke am Tay" - Wann treffen wir drei wieder zusamm?

Also war ja klar, wie es anfing: Eine Demo in der Innenstadt sorgte für Verspätungen im Tramverkehr, so dass Denys unseren Treffpunkt nicht rechtzeitig erreichen konnte. Wir warteten... Mit immerhin nur 10 Minuten Verspätung kam dann die Straba, aber das wuppen wir natürlich locker. Nur noch geschickt die Innenstadt großräumig umfahren, und ab nach Friedberg, wo wir um 17:55 Uhr ankommen. Na also, die Brücke am Tay steht ja noch! - Aber ich war am Parkplatz noch gar nicht richtig aus dem Auto ausgestiegen, als Denys nun einen Anruf entgegennahm und mir aus dem Ukrainischen sinngemäß folgendes übersetzte: Unser Brett 3, Vladimir, sei im Moment auch schon in der Oskar-von-Miller-Straße 41 angekommen. Soweit die gute Nachricht. Nun die schlechte: Er war in der falschen Stadt. Nicht hier in Friedberg. Sondern in Augsburg-Göggingen. Upps. Kleiner Lapsus. Wohl die letzte Zeile auf meinem Schönschrift-Zettel nicht beachtet. Naja, er macht sich sofort auf den Weg. Echt super Einstand für den neuen Captain von Kriegshaber III...

Hmm, mal sehen - ich schätze im Geiste grob ab, wie viel Zeit wohl ein 72-jähriger ortsfremder Mann ohne Deutschkenntnisse zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln voraussichtlich brauchen wird, um das recht vertrackt zu erreichende GSV-Spiellokal zu finden. Vor allem, wenn er niemanden mehr anrufen kann, da in 5 Minuten sämtliche Handys regelkonform ausgeschaltet sein werden. Mein Tipp: Er müsste irgendwann zwischen 19:30 Uhr und Abpfiff einlaufen. Also informiere ich seinen Gegner entsprechend, dass er wahrscheinlich einen kampflosen Punkt erhalten wird. Dass die Kommunikation mit Vladimir für mich stets nur über Dolmetscherdienste von Denys oder Dmytro möglich ist (die Pools der von uns beiden gesprochenen Sprachen enthalten leider keine Schnittmenge...), macht es nicht einfacher. Okay, wir starten dann mal um kurz nach 18:00 Uhr - mit nur sieben Kriegshaberern an den Brettern...

Brett 1:
Harry "The Joker" Gergen mit Weiß gegen Martin Baierlein. 1. e4 d5, aha, Skandinavisch. Nach 2.Sc3 d4 bin ich bereits völlig out of book. Gibts diese Zugfolge überhaupt? Physikalisch scheint es immerhin möglich zu sein, die Steine auf die beschriebene Weise zu ziehen, mehr kann ich dazu im Moment beim besten Willen nicht sagen. Hmmm, ich lass die beiden einfach mal machen. Nach weiteren 20 Zügen oder so spitzle ich erneut aufs Brett, da steht dann plötzlich der weiße König auf d1 und die weiße Dame auf e1. In einem Kinderturnier hätte ich gesagt, das war bestimmt ne Fehlaufstellung, aber hier spielen zwei Jungs mit einem Rating von je ca. 2000 - also immer machen lassen. Am Ende wird es die längste Partie des Abends, und Harry kombiniert seinen Gegner zu Boden ("Werft den Purchen zu Poden!!" - wer kennt das noch?)

Brett 2:
Mit Schwarz am Gerät: Flo Wieser (Zitat: "Ich fahre von München aus über eine Stunde hierher zum Mannschaftskampf, da will ich natürlich Spaß haben!"). Die Frage ist allerdings, wieso er seinen Gegner dann so schnell auf die Matte schickt, dass der Spaß nach 90 Minuten schon wieder vorbei ist: Bereits um 19:30 Uhr locht er zum 1-0 für uns ein. Eröffnung war irgendwas Damenbauer-Benoni-artiges, Flo raunt mir noch das Wort Maroczy ins Ohr. Wissen vortäuschend nicke ich heftig, das kommt ja immer gut. Kurz-Zusammenfassung für uns Normalsterbliche: Der Gegner lief in eine Bauerngabel und verlor einen Läufer - RIP.

Brett 3:
Um 18:40 Uhr fliegt plötzlich die Tür auf und es erscheint, tataaa: Vladimir! Damit atomisiert er meine Einschätzung der Rüstigkeit 72-jähriger Osteuropäer derart grundlegend, dass ich Hilfe brauche, um meinen herabhängenden Unterkiefer wieder hochgeklappt zu kriegen. Wie hat er es nur in dieser Zeit von Göggingen hierher an den Rand der Scheibenwelt geschafft? Fassungslos und glücklich begrüße ich ihn, was er nur mit einem verschmitzten Lächeln quittiert (verständigen können wir uns ja nicht - die fehlende Schnittmenge...!). Die Ironie des Schicksals will es, dass er heute mit derselben Farbe (Weiß) gegen denselben Gegner spielt, wie erst 22 Stunden zuvor bei unserem Zollhauspokal. Während aber die gestrige Partie nach hartem Fight remis endete, überspielt er heute seinen Gegner Rudi Forster ziemlich überzeugend und vermeldet um 21:10 Uhr den vollen Punkt - ein drohender Bauerndurchmarsch am Damenflügel war für Schwarz einfach nicht mehr vernünftig zu stoppen.

Brett 4:
Die einzige Verlustpartie für unser Team steuerte ich selbst (Lothar Weimer) bei. Über die Begleitumstände möchte ich lieber nicht allzuviel sprechen. An Einsichtsfähigkeit über meine eigene mangelnde Stresstoleranz fehlt es mir dabei nicht, ich bezweifle aber, dass ich daran in meinem Alter noch viel verbessern kann. Subjektiv empfunden scheine aber gerade ich immer Gegner vom Phänotypus Fingerknöchel-Entknackser, Ohrenschmalz-Untersucher, Plastikflaschen-Knitterer, Kandisbrocken-Zerbeißer, Tischbein-Vibrierer, Kugelschreiberclip-Tester usw. zugelost zu bekommen. Einmal (ausdrücklich nicht gestern) hatte ich einen Gegner, der dauernd mit offenem Mund Kaugummi kaute und dabei während der mehrstündigen Partie allmählich einen feinen Sprühnebel aus Speicheltröpfchen grob über den Brettbereich c8-f8-f6-c6 verteilte. Da kann man dann als Gegner leicht an dem Problem scheitern, sich nur auf solche Varianten zu beschränken, bei denen man möglichst keine Figur aus dem eingespeichelten Strafraum-Bereich anfassen muss. Mich macht einfach fassungslos, dass manche Spieler während einer Partie ihre eigenen Nerven auf solche und ähnliche Weise ganz hervorragend beruhigen können, ohne auf die Idee zu kommen, dass dies auf Kosten der Nerven ihrer Gegner geht.

Brett 5:
Mein Amtsvorgänger als Captain, Thommi Städele, spielte mit Weiß Sizilianisch. Sah nach Grand-Prix-Angriff aus und wurde auch recht herzerfrischend vorgetragen. Visuell Vorteile für Thommi, die er im Mittelspiel in einen Mehrbauern abwickelte. Leider tauschte man sich in ein gemischtes Turm-Läufer-Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern, wobei die schwarzen Figuren auch noch sehr aktiv standen. Als der Gegner Remis anbot, war wohl auch tatsächlich nicht mehr als ein halber Punkt drin - das Shakehands war deshalb vollauf gerechtfertigt.

Brett 6:
Denys Filin spielte mit Schwarz ein Wolga-Gambit, wenn ich es richtig gesehen habe. Im Mittelspiel schaffte er es irgendwie. seinem Gegner Marco Treiber einen Bauern abzuspielen, allerdings musste er dafür in eine sehr passive, gedrückte Stellung gehen und diese lange zäh und präzise verteidigen, was er auch bravourös durchhielt. Durch eine interessante Abwicklung kam es schließlich zu dem Materialverhältnis L+S+3B (Weiß) gegen T+4B (Schwarz), wobei Turm und König von Schwarz letztlich den weißen Springer in der Nähe der Ecke a8 einfingen, was Denys dann den vollen Punkt einbrachte. Eine wirklich bewundernswerte Geduldsleistung! Unsere ukrainische Achse hatte damit zwei aus zwei gemacht...

Brett 7:
Darko Stakor servierte mit Weiß ein Damengambit. Gerade als er seinen Minoritätsangriff am Damenflügel schulmäßig durchgeführt hatte und in einer Art Standardposition mit rückständigem schwarzem c6-Bauern gelandet war, nahm er um 20:05 Uhr das Remisangebot seines Gegners an. Hinterher haderte er etwas mit sich, ob er nicht doch hätte weiterspielen sollen. Die Engländer sagen dazu: You cannot keep your cake and eat it, too.

Brett 8:
Bei den Geschichten, die unsere Schachhexe Rosemarie Sodbakhsh erzählt, weiß man ja nie so ganz genau, ob man ihr auf den Leim gehen soll oder nicht. Erst am Vorabend hatte sie noch beim Zollhauspokal ihren Gegner Thomas Schade mit Hilfe eines verzauberten Apfels bezwungen. Oder doch nicht? - Kein Witz: Verschmitzt hatte sie gestern folgende Geschichte zum Besten gegeben: Der große Naturforscher Isaac Newton habe einst immer Äpfel in die Schublade seines Schreibtischs gelegt, in der Überzeugung, der Duft nachreifender Äpfel habe eine stimulierende Wirkung auf sein Denkvermögen. Tja, Rosi sprachs, legte sich gestern auch einen Apfel neben das Brett und ließ ihren bemitleidenswerten Gegner darüber rätseln, ob von dem Obst nun irgendwelche Zauberkraft-verstärkenden Düfte ausgingen oder nicht. Kein Wunder, dass er völlig apfelduft-benebelt wehrlos gegen Rosis heimtückische Abzugsdrohung war und verlor. - Wie gesagt, das war gestern. Beim Mannschaftskampf in Friedberg versuchte Rosi es nun gegen Thomas Kemmerling erneut mit dem Apfeltrick, doch ihr Gegner entzog sich durch frühzeitiges Remisangebot (19:35 Uhr!) schnell dem Hexenzauber. Glück gehabt, bzw. alles richtig gemacht!

So stand am Ende ein deutlicher 5½:2½-Sieg für uns zu Buche. Unser nächster Mannschaftskampf ist am 19. November gegen Rochade Augsburg. Darko hat schon angekündigt, beim nächsten Mal wieder dabei sein zu wollen. Gut dass das ein Heimspiel ist - obwohl, hoffentlich müssen wir Vladimir dann nicht aus Ulm abholen. Da gibts nämlich ebenfalls eine Ulmer Straße...



Autor dieser Meldung:Lothar Weimer
Aufrufe:Dieser Artikel wurde bisher 355 Mal gelesen.
Terminvorschau:
Zirbel-Cup Runde 6, Beginn 19:30 Uhr am Freitag, 26.04.2024

Kreisliga 2: Kriegshaber IV - SF Augsburg V, Beginn 18:00 Uhr am Samstag, 27.04.2024

Kreisliga 2: Kriegshaber V - Caissa Augsburg II, Beginn 18:00 Uhr am Samstag, 27.04.2024

Oberliga Bayern: NT Nürnberg - Kriegshaber I, Beginn 10 Uhr am Sonntag, 28.04.2024

Alle Saisontermine

Künftige Termine




Aktuelle Downloads:
Alle Partien des AFRO-A 2023 (PGN-Format)
(Dateigröße: 218.92 KB)

Schwäbische Meisterschaft 2024
(Dateigröße: 168.66 KB)

Beitrittsformular Jugendliche
(Dateigröße: 92.43 KB)

Alle Partien des Augsburger Weihnachts-Opens 2023 im Format .pgn
(Dateigröße: 127.75 KB)

Satzung des Schachklubs Kriegshaber
(Dateigröße: 108.62 KB)

Alle Partien des AFRO-A 2022 (PGN-Format)
(Dateigröße: 211.47 KB)

Beitrittsformular Erwachsene
(Dateigröße: 91.84 KB)

SEPA-Lastschrift für Mitgliedsbeiträge
(Dateigröße: 95.79 KB)

Ausschreibung Zirbel-Cup 2024
(Dateigröße: 217.41 KB)

   Datenschutz     |    Haftungsausschluß     |    Administration / Redaktionssystem     |    Impressum

Anzahl der Zugriffe seit 21.12.2008 um 18:46 Uhr: 835768

Powered by PHP 7.2