Neue FIDE-Regeln ab 1. Januar 2023

Liebe Vereinskollegen,

der Weltschachbund hat jüngst wieder mal die FIDE-Regeln neu gefasst, wobei die Änderungen zum 1.1.2023 in Kraft treten werden. Vorerst liegen die neuen Regeln sowie die Liste der Änderungen zwar ausschließlich in englischer Sprache vor; die FIDE hat aber schon angekündigt, die Regeln in Kürze auch als Übersetzung in weiteren Sprachen, darunter auch Deutsch, zu veröffentlichen.

Ich möchte euch hier dennoch schon mal die wichtigsten Änderungen (es sind nicht so viele)  bekannt geben:

1.

Das offenbar unvermeidliche "Gendern" ist jetzt auch in den FIDE-Regeln angekommen. Im englischen Originaltext werden alle Stellen, wo bisher nur he stand, durch he/she ersetzt, entsprechend auch him durch him/her und his durch his/her. In der deutschen Übersetzung wird es entsprechend also genauso sein. Regeltechnisch ist das natürlich ohne Relevanz, aber es müssen eine ganze Menge Textstellen geändert werden.

2.

Eine inhaltliche Änderung erfährt dagegen der Art. 5.1.2: Dort stand bisher sinngemäß, wenn der Gegner aufgibt, gewinnt man die Partie – und zwar ohne jede Ausnahme. In der neuen Fassung wird hier nun der Zusatz eingefügt, dass man in diesem Fall jedoch dann nicht gewinnt, wenn man kein ausreichendes Mattmaterial mehr hat (also genauso wie bei einer Zeitüberschreitung). - Es kamen wohl in Jugendturnieren vereinzelt mal Fälle vor, wo ein Kind aufgab, obwohl der andere nur noch den nackten König hatte. Nach der bisherigen Fassung der Regeln hatte der Spieler mit dem blanken König dann tatsächlich noch gewonnen, was irgendwie schon absurd war. Das wird jetzt unterbunden; in diesem Fall wäre der Partieausgang also nun ein Remis. Kommt in der Praxis sicher nicht oft vor.

3.

Auch FR 6.2.1.1 wird minimal geändert; ebenfalls nicht besonders relevant für das tägliche Spiel. Hier geht es darum, wann ein Zug als abgeschlossen gilt. Normalerweise ja immer dann, wenn nach dem Ziehen (dann ist er ausgeführt) zusätzlich auch die Uhr gedrückt wird (dann erst abgeschlossen - dazwischen darf man z.B. einen regelwidrigen Zug, den man selbst bemerkt, noch straflos korrigieren). Es gibt aber einige partie-beendende Tatbestände, wonach der Zug automatisch als abgeschlossen gilt, selbst wenn die Uhr nicht gedrückt wurde (das sind z.B. Matt, Patt oder auch das Erreichen einer sog. toten Stellung). Und genau bei der Aufzählung dieser Tatbestände fehlte in der bisherigen Fassung des Art. 6.2.1.1 die fünfmalige Stellungswiederholung – dieser Fehler wird nun behoben.

Hinweis: Den meisten Spielern ist nur die dreimalige Stellungswiederholung bekannt, die nur auf Antrag vom Schiedsrichter remis gegeben wird. Es gibt jedoch seit der vorletzten Änderung der FIDE-Regeln auch eine fünfmalige Stellungswiederholung, und diese beendet eben die Partie sofort, ohne dass man reklamieren muss. Auch hier kam der Anlass für die Einführung dieser Zusatzregel übrigens wieder aus dem Jugendbereich: Da durfte der Schiedsrichter früher nie eingreifen, wenn ein Kind nicht mattsetzen konnte und deshalb ewig nur Schach gab und die Züge wiederholte; das andere Kind wusste dann meist nicht, dass es Remis reklamieren durfte (und wie das korrekt geht). Jetzt greift der SR ein und macht nach dem 5. Mal hin- und her der Sache ein Ende.

4.

Als nächstes wird an mehreren Stellen vorsorglich eine Art Wortklauberei verhindert. Überall dort, wo in der englischen Fassung der Regeln nämlich bisher stand, dass Spieler oder Schiedsrichter die Uhr anhalten (player/arbiter stops the clock), wird das stoppen jetzt durch das Wort pausieren ersetzt. Das soll verhindern, dass ein Spieler zum Zwecke einer Reklamation die Uhr komplett ausschaltet und sich dabei auf den Wortlaut der Regeln beruft. Mit to stop the clock war aber natürlich noch nie das Ausschalten gemeint, sondern nur das zeitweise Anhalten. Auch die deutsche Übersetzung wird wohl entsprechend angepasst werden. - Hm, gab es eigentlich wirklich schon mal jemanden, der das falsch verstanden hatte?

5.

Die nächste Änderung betrifft die Aufzeichnung der Züge und die Partieformulare. Hier werden etliche Textstellen geändert, wo darauf Bezug genommen wird (in den Artikeln 8.1.1, 8.1.2, 8.3, 8.7, 9.2.1.1 und 9.3.1). Worum geht’s dabei? Nun, im englischen Text der FIDE-Regeln steht hier überall was davon, dass der Spieler writes his move usw., und das Partieformular wird einfach als scoresheet bezeichnet. Die FIDE will aber hier bereit für den technischen Fortschritt sein und lässt sogenannte electronic scoresheets zu. Das sind elektronische Geräte, mit denen man die Züge mitprotokollieren kann (Achtung, damit sind keine Schach-Apps oder sowas gemeint!). Auf diesen Geräten wird dann nicht mehr geschrieben, sondern aufgezeichnet; deshalb ändert die FIDE hier überall die Formulierung to write the moves ab in to record the moves usw., und an allen Stellen, wo es um die Partieformulare (scoresheets) geht, werden zusätzlich auch die elektronischen Partieformulare mitgenannt (also electronic scoresheets). Dauert wahrscheinlich noch ein paar Jährchen, bis das auch in der Kreisklasse mal relevant wird…

6.

Art. 12.2.7: Die Anti-Cheating-Regeln werden in Fair-Play-Regeln umbenannt. Naja. "Alter Wein in neuen Schläuchen" nannten das die Griechen wohl früher mal.

7.

Jetzt eine für die Praxis durchaus recht bedeutsame Änderung: Die Zeitstrafe im Schnellschach wird von 2 Minuten auf 1 Minute verkürzt; hier wird Rapid also jetzt wie Blitz behandelt (da war die Zeitstrafe auch bisher schon auf 1 Minute festgelegt). Die Anhänge zu den FIDE-Regeln für Blitz- und Schnellschach werden deshalb in den Abschnitten A3 und B2 entsprechend neu gefasst.

8.

Und dann gibt’s da noch eine ziemlich weitreichende Änderung, die jedoch nicht in den eigentlichen FIDE-Regeln selbst steht, sondern in einer dem breiten Schachvolk eher wenig  bekannten anderen Vorschriftensammlung der FIDE, nämlich den sogenannten General Regulations for Competitions (zu finden in Chapter 9 des FIDE-Arbiter-Manuals). Was da drin steht, gilt vorrangig erstmal für alle offiziellen FIDE-Turniere, daneben allerdings auch für alle ELO-gewerteten Veranstaltungen (und damit z.B. auch für die Bayerischen Ligen). Wichtig ist das deshalb, weil in dieser Vorschrift die Befugnisse des Mannschaftskapitäns bei Team-Wettbewerben neu geregelt wurden. Ich zitiere daraus einfach mal den wesentlichen Passus:

The following rules apply to the Captain during play:
3.2.1 The Captain shall sign the protocol indicating the results in the match at the end of play.
3.2.2 The Captain is allowed to leave or re-enter the playing venue only with the permission of the arbiter.
3.2.3 The Captain must not stand behind the opposing team during play.
3.2.4 If the team Captain wishes to speak to one of his players, they shall first approach the arbiter. The team captain shall then speak to the player in the presence of an arbiter, using a language the arbiter can understand. The same procedure shall be followed if a player needs to speak to the captain.
3.2.5 The Captain is not entitled to advise the players of his team to make or accept an offer of a draw. The Captain must not discuss any position on any board during play.
[…]

Die rot markierte Stelle ist diejenige, die wohl den meisten Sprengstoff in sich hat: Demnach verliert der Mannschaftskapitän nun seine bisher fast einzige Befugnis (außer derjenigen, die Mannschaftsmeldung abzugeben). Anders als bisher darf er nämlich nun einem seiner Spieler weder auf Frage noch auf Eigeninitiative Empfehlungen zu Remisangeboten geben. Dies war bisher ja ein Privileg des Mannschaftsführers. Allerdings musste er sich dabei strikt jeden Kommentars enthalten, der als Bewertung der Stellung aufgefasst werden konnte. "Biete Remis an" oder "Nimm Remis an" war also erlaubt, nicht jedoch etwas in der Art wie "Du stehst doch auf Gewinn, spiel weiter!"

Dazwischen gab es eine verschwommene Grauzone, die immer wieder mal zu heißblütigen Diskussionen führte (z.B. wenn der spielstarke Mannschaftsführer auf Frage eines Spielers, ob er Remis annehmen soll, erst zwei Minuten lang  tief in die betroffene Stellung schaute und dann erst sagte, "Spiel weiter!").

Dieser ganzen Misere entgeht man natürlich, wenn man dem MSF sein bisheriges Privileg einfach komplett wegnimmt, und genau das hat die FIDE offenbar auch vor (zumindest für ELO-gewertete Mannschaftsturniere). Damit ist der Teamcaptain jetzt praktisch nur noch der Grüß-August, der den Meldezettel ausfüllen darf. Und er darf (aber nur nach vorheriger Anfrage beim Schiedsrichter) einen seiner Spieler ansprechen und ihn z.B. fragen, ob er ihm einen Tee bringen soll :-)



Autor dieser Meldung:Lothar Weimer
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Kommentare zu dieser Meldung:

Name und ZeitpunktKommentar
David schrieb am 30.12.2022 gegen 11:46 Uhr Danke Lothar, für das ausführliche Update. :-)
Alex schrieb am 30.12.2022 gegen 14:31 Uhr Hallo Lothar, danke für die tolle Zusammenfassung und Erläuterung. Ich erlaube mir mal, den Artikel bei den Schachfreunden zu verlinken. Ich hoffe, das ist in Ordnung.
Schöne Grüße
Alex Dommnich
Lothar schrieb am 30.12.2022 gegen 15:32 Uhr An Alex: Gerne, das ist selbstverständlich in Ordnung.
Georg schrieb am 30.12.2022 gegen 21:12 Uhr Hallo Lothar, danke für die gute Zusammenfassung der Änderungen. Verstehe ich das richtig, dass die Änderungen unter 8. (Befugnisse des Mannschaftskapitäns) sich nur für ELO-gewertete Veranstaltungen ändert und dass das damit nicht für die Ligen im Kreisverband Augsburg gilt?
Georg Stiegel
Lothar schrieb am 31.12.2022 gegen 00:06 Uhr Hallo Georg, ob sie das auch für ihre Ligen übernehmen, werden wohl die Verbände regeln müssen. Im Moment gilt es zumindest für die gerade laufenden Bundesligen I und II noch nicht, darauf hat Jürgen Kohlstädt die Schiedsrichter in einer Mail schon vor einigen Wochen hingewiesen. Ich vermute aber, dass der DSB es spätestens für die Saison 2023/24 übernehmen wird. Was die nachgeordneten Verbände dann machen, muss man sehen.


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