Kriegshaber 3 verliert in Wertingen 3:5

Es gibt kein Bier auf Hawaii - und in Wertingen nichts zu trinken für die Gäste...

 

Mir schwante ja schon gleich von Beginn an nichts Gutes - unsere komplette Mannschaft sowohl superpünktlich als auch vollzählig wie verabredet am Treffpunkt vor unserem Spiellokal versammelt. Weil wir das gefühlt noch nie hatten, deutete ich das schon mal als schlechtes Omen - das konnte ja nur schiefgehen... Also, auf zum Auswärtsspiel nach Wertingen, mit zwei Autos voller geballter Schach-Kompetenz - äh...

Wirklich schön am Wertinger Spiellokal im Jugendzentrum finde ich, dass man dort ohne jede Lärmbelästigung von außen seine Partien spielen kann; außerdem hat jedes Brett seinen eigenen Tisch und damit reichlich Platz - auch das ist ja nicht überall selbstverständlich.

Dann gings auch schon los. 10 Minuten nach Anpfiff drehe ich meine erste Runde, um Notizen für den Spielbericht zu machen.

Brett 1:
Harry Gergen mit Weiß gegen Otto Helmschrott. Auf dem Brett steht ein Winawer-Franzose.

Brett 2:
Unser frischgebackener Teamcaptain Tomas Reschka mit Schwarz gegen Alexander Höhn. Sizilianisch mit 2.c3

Brett 3:
Der Berichterstatter (Lothar Weimer) im weißen Trikot gegen Zoltan Budai, Grünfeld-Indisch.

Brett 4:
Ex-Mannschaftsführer Tommi Städele mit Schwarz gegen, äh, einen leeren Stuhl - der Gegner Josef Stuhler wird sich angekündigt um eine halbe Stunde verspäten, da er noch im Kirchenchor singen muss (kein Witz).

Brett 5:
Darko Stakor hat als Weißer schon nach wenigen Zügen im Abtausch-Slawen gegen Otto Lechner frühzeitig die Luft aus der Stellung gelassen.

Brett 6:
Hier tritt unser Neuzugang Manfred Wiedemann in den schwarzen Socken gegen Paul Gerten an; auf dem Brett steht ein Orthodoxes Damengambit.

Brett 7:
Rosi Sodbakhsh mit Weiß gegen Alban Brenner - bei dem wir übrigens vor Anpfiff noch kritisch nachgefragt hatten, ob er wirklich sicher sei, dass er hier am Frauenbrett antreten dürfe. Hmm, er schaut noch immer ganz verunsichert (und spielt auch so: Auf dem Brett steht die als dubios geltende Marshall-Verteidigung im Damengambit).

Brett 8:
Als unser einziger Ersatzmann heute (nachdem Vladimir Belevtsov dringend nach Berlin musste), sitzt hier Stefan Bleisteiner vor den schwarzen Klötzen und verteidigt sich mit seiner Caro-Kann-Spezialvariante.

Also, alles in bester Butter, ich setze mich wieder auf meinen Platz und stümpere ein paar weitere Züge auf mein Brett. Nach etwa einer Stunde Spielzeit mache ich meine zweite Runde:

Bei Harry gegen Otto wurden die Damen getauscht und auf dem Schlachtfeld steht mal wieder das übliche Brett-1-Kuddelmuddel. Allmählich komme ich zu der Überzeugung, Harry macht das immer absichtlich, damit ich ja nix kapiere und nichts Sinnvolles in meinen Bericht schreiben kann. Fiesheit hat einen Namen...

Ganz anders bei Tomas an der Zwo: Da ist das Brett schon fast leer geräumt. Kaum zu glauben, aber wahr: Die zwei sind schon im Springerendspiel mit je fünf Bauern. Weiß hat allerdings zwei isolierte Bauern, Tomas nicht. Also konstatieren wir mal einen mikroskopischen Vorteil für unseren Captain (geschätzt sechs bis sieben hundertstel Bauerneinheiten oder so).

Ich selbst wurstle mich wie immer planlos durchs Mittelspiel und warte darauf, ob eine inspirierende Eingebung von der Zimmerdecke auf mich herabfällt.

Auch Brett 4 wird jetzt regulär bespielt, nachdem Tommis Gegner psalmenschwanger eingetrudelt ist. War wohl ein orthodoxes Damengambit (wie bei Manfred an Brett 6), aber hier bei Tommi stehen sich die d4/d5- und c4/c5-Bauernpaare noch direkt gegenüber und starren einander feindselig an. Da schepperts gleich ordentlich im Zentrum. Wir sprechen lieber erst weiter, wenn sich der Qualm verzogen hat.

Ich schlendere weiter zu Brett 5: Darko hat einen Mehrbauern rausgearbeitet, allerdings ist sein König noch unrochiert - das war wohl der Preis, den er zahlen musste. Als er mich mit dem Block in der Hand erspäht, ächzt er vor sich hin und schaut besorgt. Kenn ich schon, falle ich nicht drauf rein - macht er immer. Selbst wenn er auf Gewinn stünde, würde er unzufrieden dreinblicken. Das heißt bei ihm gar nichts.

Als nächstes mal kurz bei Manfred reinlinsen: Auf beiden Seiten je Läufer, Springer und ein Bauer getauscht. Weiß steht optisch etwas freier, aber die schwarze Stellung (= Manfred) sieht durchaus noch gesund aus.

Jetzt die Lage auf dem "Frauenbrett": Rosi hat es versäumt, ihrem Gegner gleich in seiner dubiosen Eröffnung einen Tempoverlust beizufügen; nun steht ein Mittelspiel auf dem Brett, bei dem Schwarz versucht, mit den verdoppelten Türmen auf der freien a-Linie in Rosis Stellung einzudringen. Die Stellung halte ich für grob ausgeglichen, allerdings hat Rosi einen isolierten b4-Bauern als potentielle Schwäche, der zudem von einem gegnerischen Springer blockiert ist. Und laut Nimzowitsch ist der Springer ja die ideale Blockadefigur. Fazit: Im Moment eher leichte Vorteile für Rosis Gegner, aber noch kein Grund zur Sorge.

Am achten Brett hat Stefan jetzt einen verdoppelten f-Bauern vor seinem König, wodurch er eher noch besser geschützt ist. Ich erkenne auf die Schnelle keinerlei Vorteil für einen der beiden Spieler.

11:30 Uhr:
Harry meldet die erste beendete Partie - er hat leider in besserer Stellung einzügig eine Figur eingestellt, was auch Gegner Otto Helmschrott sogleich bestätigt. Finde ich schön sozial gedacht von Harry, dass er sich trotz seiner unbestrittenen Trans-2000er-Spielstärke immer wieder gerne mal unserem Kreisliga-Stümperniveau anpasst und gelegentlich auch einfach mal so ne Figur einstellt (wie der Rest des Teams es regelmäßig zu tun pflegt). Gemeinsames Stümpern schweißt einfach enorm zusammen, so funktioniert heute moderne Teambildung. Kriegshaber 3 hat dieses Konzept voll verinnerlicht, um nicht zu sagen, perfektioniert.

11:45 Uhr:
An Brett 2 kaut Tomas immer noch auf seinem Springerendspiel herum; wer steht besser? Ich weiß es wirklich nicht. Bei mir an der Drei haben sich ein paar Springer komisch verknotet, und mein Lc1 will partout noch nicht mitspielen. Ein Plan, wie ich mich eigentlich fertig entwickeln will, wär halt hilfreich. Von der Decke kommt weiter nichts herunter. Blöd. - Tommi Städeles Gegner an Brett 4 hat jetzt zwei hängende Bauern auf d4 und c4 übrig behalten, sieht optisch ein wenig geschmeidiger für unseren Mann aus. Bei Darko an der Fünf jetzt heftiges Kopfschütteln (Stärke sechs auf der 10-teiligen Darko-Skala). Der Gegner ist am Zug, und vom schnellen Hinschauen meine ich, dass er mit axLb6 jetzt einfach eine Leichtfigur einkassieren könnte. Fata Morgana, oder stimmt das? - Weiter zu Manfred: Der hat seinen Damenläufer vom schlechten Feld c8 auf das schlechte Feld e8 umgruppiert. Hmmm... Mein Fazit: Vielleicht noch OK... Weiter, was ist bei Rosi an der Sieben los? Nichts mehr. Das Brett ist leer, abgeräumt. Huch, gar nicht mitbekommen. Otto Helmschrott flüstert mir ins Ohr, dass man sich am Frauenbrett in ziemlich ausgeglichener Stellung auf ein Remis geeinigt habe. Ich gebs so weiter. Und an Brett 8 bei Stefan Bleisteiner? Da hat der Gegner Raumvorteil (vier Reihen gegen drei), sonst aber nichts. Die wollen nur spielen...

12:10 Uhr:
Manfred (der e8-Damenläufer, ihr wisst schon) hat sich an Brett 6 mit seinem Gegner auf Remis geeinigt. 10 Minuten später gebe ich selbst meine Partie auf, nachdem ich erst durch eine völlig übersehene Taktik einen Bauern verloren habe, der Gegner alle meine Schwindelchancen im Keim erstickt und sich einen zweiten Bauern holt. Tja, hinteher erklärt er mir noch freundlich, wie die Theorie eigentlich richtig weitergegangen wäre (anstelle des Murks, den ich gespielt habe); im Gegensatz zu mir kennt er die Theorie dieser Eröffnung offenbar bis in die Zehenspitzen. Also, voll verdienter Punkt für meinen Gegner. - An Brett 2 bei Tomas (das Springerendspiel) wurde inzwischen indirekt ein Bauernpaar getauscht, so dass jetzt beide einen Freibauern haben, aber der von Tomas auf der a-Linie ist der entfernte, der von Weiß ist im Zentrum (auf d4). Ist jetzt sicher günstiger für Schwarz; wären die Springer nicht auf dem Brett, dann wäre das reine Bauernendspiel ganz trivial gewonnen für Tomas. Beim anderen Thomas (Städele) weiterhin die Schwebestellung mit den hängenden Bauern d4/c4; sein Gegner hat sich zuvor eine geschlagene Viertelstunde lang im 10-Sekunden-Takt laut hörbar geräuspert, bis ich ihn mal direkt darauf angesprochen hatte; jetzt ist Ruhe. Eindeutig Stress-Symptom. Kurz darauf vereinbart er mit Tommi Städele Remis. Mit drei Remisen und den zwei Nullen von Harry und mir liegen wir jetzt 1½:3½ hinten.

12:30 Uhr:
Darko hat es irgendwie geschafft, doch keine Figur zu verlieren, aber er musste dafür zwei Bauern geben. Anstatt eines Plus- hat er jetzt einen Minusbauern und kämpft ums Remis. Sein Gegner hat TL+6B, er selbst TS+5B. Sieht trostlos aus. Mir schwant, dass wir heute aus Wertingen keine Mannschaftspunkte werden entführen können. Gerade als ich es mir in meiner Schwarzmalerei so richtig schön bequem machen will, setzt Stefan Bleisteiner an Brett 8 seinen Gegner zweizügig matt. Na toll, der einzige Ersatzspieler macht den einzigen vollen Punkt, oder was? Kommt wohl nur, um uns zu blamieren. Ob wir den nochmal mitspielen lassen? Ach, nicht so nachtragend sein: Immerhin steht es jetzt wieder 2½:3½.

12:35 Uhr:
So ein spannendes Endspiel wie bei Tomas habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Auch die anderen Spieler scharen sich immer mehr um das zweite Brett herum. Tomas hat lange gerechnet und dann einen Bauern geopfert, um die Springer getauscht zu bekommen. Jetzt hat er zwar nominell einen Minusbauern, aber dafür muss der gegnerische König ja immer noch bis zur a-Linie laufen, um dort den super-entfernten Freibauern von Schwarz einzukassieren. Der schwarze Plan sieht vor, dass Tomas dann in der Zwischenzeit mit seinem König alle anderen weißen Bauern abräumt. Aber klappt das? Spieler und Zuschauer rechnen wie irre, dass die Luft nur so flirrt:

 
 Brett 2: Alexander Höhn - Tomas Reschka, Weiß am Zug

Aus der Diagrammstellung folgte nun

1. h4    g4
2. f4    gxf3 e.p.
3. gxf3    a4
4. Kb4    Kxd5
5. Kxa4 usw.

und der weiße König kann gerade noch rechtzeitig zurück auf die andere Brettseite hetzen, um dort das Remis gegen den sK plus Randbauern sicherzustellen. Tomas hätte noch ein einziges Tempo mehr gebraucht, aber auch Stockfish sieht hinterher nicht, wo man dieses Zusatztempo hätte rausschinden können. Ach ja, während der heißen Phase dieses Endspiels schmiss übrigens Darko in seiner Partie noch das Handtuch, so dass der Endstand schließlich 5:3 für Wertingen lautet.

Man muss neidlos anerkennen, dass die Wertinger an diesem Tag einfach die bessere Mannschaft waren.

Eines muss ich aber trotzdem noch loswerden, weil es nicht nur mir selbst, sondern auch einigen anderen von uns negativ aufgestoßen war. Ich würde ja gerne launig schreiben, dass wir "wie die begossenen Pudel" aus Wertingen abziehen mussten, aber das Wort Begießen passt hier so überhaupt nicht, denn: Für die gesamten 16 vor Ort anwesenden Spieler und einen Schwabenliga-Kampf, der durchaus auch mal über 5 Stunden dauern kann, hatten uns die Wertinger einen Kühlschrank mit sage und schreibe insgesamt fünf (!!) 0,5-l-Flaschen Getränken anzubieten - und falls das nicht reichen sollte, wurden wir freundlich darauf verwiesen, dass ja aus der Wand ein Wasserhahn rage... Nicht nur ich allein finde, dass eine Flasche Spezi und vier Zitronenlimo für 16 Leute etwas knapp kalkuliert sind. Einige der Wertinger wussten offenbar schon vorher, dass akute Dehydrierung droht und hatten sich selbst vorsorglich eigene Getränke mitgebracht; bei uns Gegnern nahm man dagegen wohl Flüssigkeitsmangel gerne als zusätzlich helfenden Umstand in Kauf. Das fast völlig fehlende Angebot an Getränken fand ich jedenfalls, gelinde gesagt, einem Teamkampf in der Schwabenliga nicht angemessen. In den Bundesligen schreibt die DSB-TO sogar dezidiert vor, dass den Spielern ausreichend Getränke anzubieten sind; nach der gestrigen Erfahrung sollten wir vielleicht auch in die Bezirks-TO eine vergleichbare Vorschrift mit aufnehmen. Alternativ wäre es zumindest eine freundliche Geste gewesen, wenn die gegnerische Mannschaft uns vorab wenigstens ausdrücklich darauf hingewiesen hätte, dass man sich bitte selbst etwas Trinkbares mitbringen sollte, weil es vor Ort schlicht nichts (oder viel zu wenig) gibt. Dieser Punkt, dass man uns als Gastmannschaft stundenlang ohne Versorgung mit Getränken hat sitzen lassen, das hat mich gestern wirklich gewurmt - so etwas habe ich in über 40 Jahren noch nie zuvor bei irgend einem anderen Mannschaftskampf erlebt.



Autor dieser Meldung:Lothar Weimer
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