Endlich bin ich aufgewacht. Es hat zwar bis zur siebten Runde gedauert, aber immerhin. Aber der Reihe nach.

4. Runde
Während meiner grausamen Drittrundenpartie beschloss ich, jetzt doch mein Eröffnungsrepertoire auf den Kopf zu stellen. Während der Vorbereitung gegen meinen Gegner, IM Mazi aus Slowenien, stellte sich heraus dass er gegen meine angedachte Verteidigung eine Spezialvariante entwickelt hat, die eigentlich nur er spielt. Also verbrachte ich einige Stunden damit, mir einen vernünftigen Aufbau zurechtzulegen, nur um dann… am Brett alles durcheinander zu bringen und mich völlig perspektivlos aufzubauen. Als ich dann auch noch einen größeren Rechenfehler beging, hatte er keine Probleme, mich auszutreten. Ich war begeistert.

Boris dagegen spielt einfach ein solides Turnier. Gegen den russischen 25er IM Papin wurde er mit Schwarz in der Eröffnung überrascht, aber konnte den Laden trotz Tripelbauer auf der e-Linie noch irgendwie zusammenhalten. Der Silikonfisch will Schwarz zwischendurch sogar im Vorteil gesehen haben. Remis durch Zugwiederholung.

5. Runde
Bei Boris wieder fast dasselbe Spiel mit vertauschten Farben. Gegen GM Gasanov in der Eröffnung überrascht, gut weitergespielt, und dieses Mal gefiel dem Gegner seine Stellung so wenig, dass er nach ca. 20 Zügen Remis anbot.

Ich experimentierte auch mit Weiß, kam in eine Stellung in der ich eigentlich keine Ahnung hatte, was und wie ich was tun sollte, falls er nicht total billig einen Bauern einstellt. Aber weil ich gegen den Letzten der Setzliste spielte, stellte er einfach total billig den Bauern ein und ließ sich nach 33 Zügen matt setzen.
Zwar ganz nett das Ganze, aber nicht wirklich geeignet, um hier irgendwie Glauben an die eigene Stärke aufkommen zu lassen.

6. Runde
Meine Partie ist schnell erklärt: Nix begriffen und schlecht gerechnet gegen IM Kreisl aus Österreich. Der ließ sich nicht zweimal bitten.

Boris spielte mit Schwarz gegen den rumänischen IM Miron, der zwar recht berechenbar 1.d4 zieht, aber danach so ungefähr alles spielt. Es entstand eine vollkommen chaotische Stellung mit beiden Königen in der Mitte und beiden Königsflügeln beinahe unentwickelt, während im Zentrum und vor allem am Damenflügel die Post abging. An einer Stelle hätte Boris einen Springer für zwei Bauern und Aktivität opfern müssen, mit klar besserer Stellung (sagte uns - natürlich - der Silikonfisch). So wie er fortsetzte kam ein für den Gegner gewonnenes ungleichfarbiges Läuferendspiel aufs Brett. Naja, wenn meine Verlustpartien von ähnlicher Qualität wären, so wäre ich meinem Turnier hochzufrieden.

Nach diesem Ergebnis erwarteten wir eigentlich beide, schlechtere Gegner zu bekommen (zumindest schlechter als in der Vorrunde). Aber irgendwann gegen Mitternacht kam ein ungläubig lachender Boris mit der Auslosung ins Hotelzimmer: Er bekam meinen Erstrundengegner GM Medvegy mit Weiß und ich musste mit Schwarz gegen den titellosen dänischen Senior Bo Jacobsen ran, der seit 40 Jahren so um die 2300 hat und momentan mit 2375 zu Buche steht. Ach ja, und er hat bei der U20-WM vor 40 Jahren gegen Karpov gewonnen ;-) Na dann…

7.Runde
Zum ersten Mal traf unser beider Vorbereitung voll ins Schwarze. Bei mir war das allerdings nicht besonders schwierig, weil sie ungefähr so lautete: Wenn er 1.c4 zieht, spiel ich e5, stell meine Springer nach f6 und c6 und dann schau mer mal. Boris sagte voraus, dass Medvegy gegen ihn Caro-Kann spielen würde und bereitete ein gefährliches Bauernopfer vor.

Bei meiner Partie hatte ich zum ersten Mal in diesem Turnier das Gefühl, wirklich konzentriert zu Werke zu gehen. Das wirkte sich zwar positiv auf das Geschehen auf dem Brett aus, aber brachte mich darum, Exweltmeister Karpov mal aus der Nähe zu sehen. Wie mir Boris beim Abendessen erzählte, war Karpov nur wenige Meter von unseren Brettern entfernt durch den Turniersaal geschlendert.
Mein Gegner verbrachte den größten Teil der Partie damit, sich Schwächen zu schaffen und meine Figuren zu aktivieren. Dabei verbrauchten wir beide ziemlich viel Zeit und in beiderseitiger Zeitnot flog ihm seine Stellung um die Ohren. Als sich der Rauch gelegt hatte, hatte ich 3 Bauern mehr und nach ein bisschen Zucken gab er auf.
Eeeendlich eine vernünftige Partie.

Bei Boris bewies Medvegy, dass auch GMs patzen können. Er stellte völlig sinnlos seinen Mehrbauern ein und landete in einem schwierigen Endspiel mit Damen und gleichfarbigen Läufern mit Mehrbauer für Boris. Auch hier waren beide in hochgradiger Zeitnot und Boris verpasste nach dem Gewinn des zweiten Bauern einen Deckungsaufbau mit Dame und Läufer, der keine Schachs zulässt und seinen Freibauern einfach zur Dame gehen lässt. Stattdessen tauschte er die Damen und musste wegen der Aktivität des gegnerischen Königs und eines gegnerischen Freibauers auf der zweiten am Ende sogar aufpassen, die Partie nicht zu verlieren. Am Ende wars ein Remis, mit dem beide nicht wirklich zufrieden sein konnten.

Allerdings war das bisher unsere beste Runde, die auf mehr hoffen lässt. Heute (Samstag) ist erstmal Ruhetag bevor wir uns morgen wieder an einem GM (Boris) und einem titellosen griechischen 23er-Jugendmonster (ich) versuchen dürfen.
Mal sehen, was noch geht…

@Lucky: Buddha-Bar gestaltet sich eher schwierig, weil man danach noch irgendwie nach Opatija ins Hotel kommen müsste…