Das Chemnitzer Turm Open 2010

"Aus dem Tagebuch eines alternden Feldherrn"

29.09.2010 - "Ein anmaßender Wunsch":

Ihre Majestät, Königin Marianne, die auch den Beinamen "Beste Ehefrau von allen trägt", äußerte den unabänderlichen Wunsch, dass ich für sie die Stadt Chemnitz erobern möge. Meinen zaghaften Einwand, dass sie ja momentan eigentlich pflegebedürftig sei, wischte sie mit der Bemerkung bei Seite, dass sie zur Erfüllung ihres Wunsches einen Feldherrn und keinen Krankenpfleger benötige. Folglich blieb mir nichts anderes übrig, als noch am selben Tag den Chemnitzern eine Kriegserklärung zukommen zu lassen und mich im Anschluss um eine geeignete Lagerstätte zu kümmern.

30.09.2010 -"Der Feldzug beginnt":

Um Punkt 9.18 Uhr setzten sich meine Truppen - aktuell 2260 deutsche und 2311 internationale Soldaten - und ich in Bewegung und erreichten planmäßig den Ort, der in den kommenden Tagen ein Schauplatz kriegerischen Handlungen werden sollte. Als Basislager wählte ich einen Ort in unmittelbarer Nähe des Schlachtfeldes, wobei ich mich in weiser Voraussicht dazu entschloss, den Einheimischen ein gewisses Entgelt zukommen zu lassen, um so einer Partisanentätigkeit vorzubeugen. Gedankt wurde mir dieser Schritt mit einer freundlichen Bewirtung und größter Aufmerksamkeit.
Als ich gegen Abend mit der Eroberung begann, da musste ich feststellen, dass die Chemnitzer ob meiner unvermittelten Kampfansage größte Probleme mit der Mobilisierung ihrer Truppen hatten, weshalb sich mir anfangs ein alter Haudegen entgegenstellte, der gerade einmal über 1753 bzw. 1887 Soldaten verfügte. Als er dann meinen Aufmarschplan sah, entschloss er sich für die Französische Verteidigung, kam aber wegen meines raschen Vorrückens nicht dazu, die berühmte Maginot-Linie zu besetzen, wollte deshalb die Entscheidung mit einem gewaltigen taktischen Schlag erzwingen und wurde schließlich Opfer seines überhasteten Angriffs. Die erste Schlacht war gewonnen - 1/1!
Angesichts der einsetzenden Dunkelheit war an eine Fortführung der Kampfhandlungen nicht zu denken, sodass an einem anderen Tag die Entscheidung fallen musste.

01.10.2010 - "Weiterer Widerstand":

Die Chemnitzer waren aber in der Nacht nicht tatenlos gewesen, ganz im Gegenteil! Sie entwickelten nicht nur einen Plan, mich aufzuhalten, sie hatten auch Verbündete gesucht und fanden diese auch. Allerdings brauchte es doch noch einige Zeit bis diese eintreffen sollten, weshalb an den jungen Offizier, der sich mir mit 1789 bzw. 1976 zum Kampf stellte, wohl der Befehl ergangen war, mich so lange in Atem zu halten bis die Verstärkung eintrifft.
Ich erfasste die Situation gleich richtig, denn als ich am Morgen das Schlachtfeld betrat, da erkannte ich, dass er, obwohl er eine wichtige Anhöhe besetzt hielt, von der aus er meine Sizilianische Verteidigungsstellung mühelos hätte angreifen können, er sich von Anfang an stark zurückhielt. Um eine Einkesselung zu vermeiden, befahl ich trotz meiner etwas ungünstigen Ausgangslage den direkten Angriff und vertraute auf die Übermacht meiner Truppen. Diese erzwangen auch schon bald die Aufgabe meines jungen Gegners, der aufgrund des Kampfverlaufs doch recht deprimiert wirkte - 2/2!

Am Nachmittag traf auch tatsächlich die befürchtete Verstärkung ein, die zwar wesentlich besser als die ersten beiden Feldherren antrat, nämlich mit 2093 bzw. 2130, doch mir nominell immer noch deutlich unterlegen war. Durch die anfänglich relativ leicht errungenen Siege wurde ich dann doch etwas übermütig und wollte meinen unerfahren wirkenden Gegner durch feinsinnige Manöver in eine so aussichtslose Lage bringen, dass ihm letztlich nichts anderes als die Kapitulation übrigbliebe. Soweit der Plan! Als ich jedoch nach Beendingung all meiner Ideen die Situation analysierte, da musste ich feststellen, dass meine Flanken verwundet und mein Zentrum zerstört waren! Eine Niederlage schien unausweichlich, eine Einschätzung, die anscheinend auch mein Gegenüber teilte, strahlte er doch zu diesem Zeitpunkt eine große Selbstsicherheit aus. In dieser ausweglos erscheinenden Lage entschloss ich mich zur Überraschung aller für einen Frontalangriff, ließ ein Geschütz und noch anderes dabei zurück und konnte wie durch ein Wunder nicht nur die Niederlage abwenden, ich trug sogar noch den Sieg davon - 3/3!

02.10.2010 - "Ein Hauen und Stechen":

Nach drei verlustreichen Schlachten rechnete ich schon fest damit, dass die Chemnitzer über eine Kapitulation würden sprechen wollen, doch ich sollte mich irren. Denn als ich am dritten Tag meines Feldzuges das "Feld der Ehre" betrat, da wartete schon ein weiterer Chemnitzer Verbündeter auf mich, der mit 2208 bzw. 2189 über eine recht beachtliche Streitmacht verfügte.
Doch ungeachtet seiner offensichtlichen Stärke, hatte ich gewisse Probleme ihn ernstzunehmen. Denn während auf meinem Banner das martialisch klingende "Kriegshaber" stand, stand bei ihm "Hainichen", was beinahe nach einer Entschuldigung klang! Letztlich setzte sich bei mir der jahrelange Drill durch und ich nahm aus einer festen und keineswegs ambitionierten Verteidigung heraus den Kampf auf.
Diese Vorgehensweise war absolut richtig, denn der wiederum junge Feldherr witterte aufgrund meiner Zurückhaltung seine Chance als Retter von Chemnitz in die Geschichtsbücher einzugehen, opferte eine Bauerneinheit, um Bewegung auf dem Schlachtfeld zu bekommen und wurde dann nach einigen genauen Verteidigungsmanövern meinerseits böse ausgekontert - 4/4!

Doch die letzte Niederlage ihres Verbündeten sollte nicht sinnlos gewesen sein, bekamen doch die Chemnitzer so die Zeit, ihre Elitetruppen zu mobilisieren. So kam es, dass gegen mich ein Feldherr antrat, der mir nicht nur an Alter, Erfahrung und Rang ebenbürtig war, er kannte zudem das Terrain und verfügte über mehr Truppen als ich - 2304 bzw. 2340. Als wir mit der Besetzung verschiedener Planquadrate begannen - 1. e4 d6 2. d4 Sf6 3. Sc3 Sbd7 -, da überlegte ich, welchen soliden Plan ich gegen diese Aufstellung verfolgen sollte, als ich sah, dass meine Truppen mit 4. g4 etwas gänzlich anderes taten, als ich überhaupt vorgesehen hatte. Sie waren offensichtlich im Blutrausch, eine Vermutung, die im Laufe dieser fünften Schlacht bestätigt werden sollte - 5/5! Sollte ich tatsächlich noch meinen Auftrag erfüllen?

03.10.2010 - "Ein denkwürdiger Tag":

Wenn man sich später an diesen Tag erinnern wird, dann wird man sagen, dass an diesem Tag 20 Jahre deutsche Einheit gefeiert wurde und Deutschland die letzte Zahlung an Reparationen aus dem 1. Weltkrieg geleistet hat! Doch würde man auch davon reden, wie ich Chemnitz eroberte?
Wie ich die zähen Chemnitzer einschätzte - passt so garnicht zu ihrer netten Art! -, würden sie alles tun, um dies wenn irgend möglich zu verhindern. Allerdings schien ihnen das Schicksal in Form von Hochwasser in Brandenburg einen Strich durch die Rechnung machen zu wollen, sodass sie zwar mittlerweile sogar Truppen aus dem russischen Ausland anzuwerben vermochten, diese mir aber lediglich an Erfahrung, nicht aber an Stärke sonderlich überlegen waren - 2258 bzw. 2330.
Obwohl mir wieder die Verteidigung zugedacht war, entschloss ich mich, alles auf eine Karte zu setzen, konnte ich doch mit einem Sieg sicher die Vorentscheidung erzwingen. Dieser an sich vorbildliche Vorsatz währte allerdings nur äußerst kurz, weil ich nach 1. d4 Sf6 2. Sd2!? vollkommen ratlos war, in welche Richtung sich der Kampf entwickeln würde. Da ich einen frühen Stellungsnachteil vermeiden wollte, entschied ich mich dazu, zunächst einmal stillzuhalten und abzuwarten. Auch diese Entscheidung erwies sich als umsichtig, konnte ich mich doch so optimal auf den gegnerischen Plan einstellen, ihn zunichte machen und zum Gegenschlag ausholen. Dieser sah lange sehr vielversprechend aus, doch durch mehrere ungenaue Manöver meinerseits verflachte der Kampf dergestalt, dass absolut keine Siegchancen mehr vorhanden waren. Obwohl diese Schlacht unentschieden endete, muss man sie als moralischen Sieg für die tapferen Chemnitzer verbuchen, konnten sie doch erstmals meinen Siegeszug stoppen - 5,5/6!

Es sollte nur noch eine letzte Begegnung folgen, denn die Chemnitzer waren mittlerweile doch sehr kriegsmüde. Hierfür konnten sie einen großmeisterlichen Feldherrn gewinnen, der mit 2440 bzw. 2479 eine ordentliche Streitmacht befehligte. Zum Dank für die Rettung vor dem gefürchteten "serbo-schwäbischen Bayern" wollten sie ihm 1000 Goldstücke geben, die sie im Falle seines "Nichtsieges" als Tribut an mich zu entrichten gehabt hätten. Ich war ebenfalls äußerst motiviert, wobei es mir nicht so sehr um die Goldstücke ging, zumal die ohnehin in die Schatzkammer meiner Königin flössen, als um den Ruhm, 2010 der Sieger von Chemnitz gewesen zu sein!
Erwartungsgemäß entstand ein furchtbarer Kampf, in dessen Verlauf ich immer deutlicher die Oberhand errang. Ich begann daraufhin immer mehr Zeit zu investieren, um den entscheidenden Durchbruch zu finden, was mir aber an jenem Tag einfach nicht gelingen wollte. Da mir aber auch ein Unentschieden reichte, beging ich einen psychologischen Fehler, für den jeder der von mir ausgebildeten Offiziersanwärter mit furchtbaren Sanktionen belegt würde! Ich bot aus der Position der Stärke heraus ein Remis an und gab ihm damit zu verstehen, dass ich entweder nicht in der Lage oder einfach nicht Willens war, den Sieg zu erringen. Er lehnte mein Angebot ab, zwang mich aber immer wieder, noch mehr Zeit zu investieren, wofür er auch die stufenweise Verschlechterung seiner Stellung in Kauf nahm! Der Erfolg gab ihm letztlich recht, denn ich übersah bei knapper Zeit während des Versuchs meine Gewinnstellung in einen vollen Punkt umzumünzen einen taktischen Witz - mit einem Zwischenzug hätte alles anders ausgesehen und der Gegner hätte in den "shake-hands-modus" wechseln können - und verlor - 5,5/7! Chemnitz war vor mir gerettet!

Wer alles und mit welchem Erfolg an diesem denkwürdigen Ereignis beteiligt war, das kann man auf der entsprechenden Homepage nachlesen. Lediglich soviel sei verraten:

1. GM Meister 2479 6 Pkte.
2. GM Lanka 2465 6 Pkte.
3. FM Vuckovic 2311 5,5 Pkte.

Fazit:
- Obwohl ich etliche Gefangene vom Feldzug mitbrachte, die künftig in meinem Heer dienen werden, war Marianne un-
zufrieden und wird mir wohl weitere Aufgaben auferlegen.
- Trotz einer anfänglichen Enttäuschung über die ausgebliebene Eroberung werde ich meinen Dienst nicht
quittieren.- Das Chemnitzer Turm Open ist unbedingt zu empfehlen, denn neben einer guten und fairen Gegnerschaft
ist auch der gesamte Rahmen sehr ansprechend.
- Die Unterkunft ist für Angehörige unserer Kriegerkaste mehr als erschwinglich und man wird darüber hinaus
hervorragend verköstigt.
- Meine entscheidende Niederlage erlitt ich mit Weiß und frage mich, ob Martin Baierlein, der mit solchen
Problemen bestens vertraut ist, mit mir eine Selbsthilfegruppe gründen würde?
- Mein nächster Eintrag wird entschieden kürzer sein! :)
- Gute Nacht!


Autor dieser Meldung:Aleksandar Vuckovic
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Kommentare zu dieser Meldung:

Name und ZeitpunktKommentar
Alex W schrieb am 05.10.2010 gegen 00:22 Uhr Ein etwas anderer Schachbericht und sehr erheiternd!
Wünsche dem edlen Feldherren noch viele glorreiche Schlachten und den Sieg über seine Gegner ;)
Alex schrieb am 05.10.2010 gegen 02:05 Uhr Danke Alex. Ich kann Deine Wünsche nur erwidern! :)
Karin schrieb am 05.10.2010 gegen 14:33 Uhr WOW, welch erquickliche Form der Berichterstattung! Hast Du schon einmal darüber nachgedacht, die Schach-spielerei einfach sein zu lassen und ins Lager der Gaukler zu wechseln? (Damit meine ich nicht die Hofnarren, sondern vielmehr die Barden jener Zeit.) Ließen sich auf diese Weise doch weit mehr als 1000 Taler erringen und brächten Dir vielleicht, verbunden mit einem gerüttelt Maß an Frondiensten, die Gunst Deiner Holden Maid zurück...
Lucky schrieb am 05.10.2010 gegen 19:14 Uhr Das nächste Mal warte ich noch auf die Abschnitte Bitka na Neretvi oder Oluja. Und wenn du mit Weiß nicht verlieren willst - da könnte ich dir helfen ;)
Lucky schrieb am 05.10.2010 gegen 19:15 Uhr Und warum fallen Anführungszeichen in den Kommentaren unter verbotene englische Begriffe oder HTML-Tags?
Alex schrieb am 06.10.2010 gegen 20:25 Uhr Lucky: Wenn ich wieder einen Bericht in dieser Art verfassen sollte, dann wird es die bitka na Sutjesci - mein persönlicher Favorit! :) Und was das Weißrepertoire betrifft, so hast Du mich definitiv missverstanden, denn ich möchte mit Weiß gewinnen und nicht klammern! ;-)
Karin: Es freut mich, dass Dir der Bericht gefällt - gibt es etwas Schöneres als ein Kompliment von der Konkurrenz der schreibenden Zunft? -, auch wenn ich den Bericht mit einem tränenden Auge verfasst habe. Es passiert nämlich nicht oft, dass man eine so gute Gelegenheit zum Turniersieg erhält und diese dann so leichtfertig vergibt! Hinsichtlich der Gunst meiner holden Maid empfehle ich Dir, Dich mit ihr in einem entspannten Augenblick zu unterhalten, um zu erkennen, dass es keine Rettung mehr für mich gibt! ;-)


Der vorliegende Bericht ist älter als ein Jahr und kann daher nicht mehr mit Kommentaren versehen werden!
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