Ganz nach dem Motto "Neue Besen kehren gut" trat die Mannschaft der Schach-AG der Drei-Auen-Schule zur diesjährigen Meisterschaft an und errang in der Wertungsgruppe Grundschule auf Anhieb den 1. Platz. Dass mich dieser Erfolg der Kinder viele Nerven und etliche Jahre meines Lebens gekostet hat, das wird jedem nach dem Lesen der folgenden Zeilen klar sein.
Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren, in denen ich mit mehreren Mannschaften des Gymnasiums bei St. Stephan angetreten war, vermochte ich, da ich Opfer der zeitgleich stattfindenden Hauskonzerte wurde, lediglich eine Mannschaft an den Start zu bringen. Das erschien mir zwar äußerst bedauerlich, doch der Umstand, dass die meisten guten Spieler zugesagt hatten, ließ mich hoffen, endlich einmal weiter vorne landen zu können.
Außerdem entschloss ich mich, erstmals Grundschüler an den Start gehen zu lassen, obwohl ich sie erst seit 18 Monaten betreue. Die auferlegte Vorbereitung, nämlich die Teilnahme an der Augsburger Schüler-Meisterschaft meisterten die meisten von ihnen recht gut, sodass ich mir sicher war, dass kein absolutes Frusterlebnis für sie möglich ist. Da keiner von ihnen ein Vereinsspieler ist, war es mir klar, dass es die vorderen Bretter schwer haben werden, die hinteren aber aufgrund der Leistungsdichte des Teams durchaus gut punkten dürften.
Die erste Runde verlief für beide Mannschaften erfreulich und sorgte dafür, dass die Kinder und Jugendlichen mit einer größeren Ruhe die folgenden Runden angehen konnten. So siegten die "Stephaner" mit 4:0 und die "Kleinen" besiegten Herberts "Erste" mit 3:1 - lediglich das 1. Brett musste sich Maxi Klings Ausnahmeleistung jenes Tages beugen; er erzielte nämlich 7/7!
Eigentlich hätte ich sehr zufrieden sein müssen, doch mir fiel etwas aus, was den "Stephanern" später zu Verhängnis werden sollte, nämlich dass die "Kleinen" wesentlich schneller spielten, sodass es durchaus zu erwarten war, dass das "Coaching" eines Teams darunter leiden würde. Allerdings dachte ich nicht, dass sich dieses Problem schon zur zweiten Runde bemerkbar machen würde - ein Fehler!!
Denn während die Grundschüler sich anschickten, auch Herberts 2. Mannschaft zu schlagen, sie hatten die Runde zuvor mit 3,5:0,5 gegen Marktoberdorf gewonnen, ich mich zu den "Stephanern" aufmachte - anderer Raum -, spielten die Gymnasiasten bereits gegen die starken Memminger, ohne von mir vor diesen gewarnt worden zu sein. Die Folge war, dass bis auf Julian, der souverän gewann, gerade einmal einen halben Brettpunkt zusammenkratzten, womit schon in der 2. Runde die erste Niederlage "eingefahren" wurde!
Nachdem ich die "Großen" instruiert hatte, in der 3. Runde ein deutliches Zeichen zu setzen und den Anschluss an die Spitze wiederherzustellen, trafen die tapferen Oberhauser in der 4. Runde mit Wolfertschwenden I auf ein gänzlich unbeschriebenes Blatt. Glücklicherweise erkannte ich die Betreuerin der gegnerischen Mannschaft, die mit mir den Schulpatent-Kurs in Dasing besucht hatte, gab die Anweisung, sich einfach nur mehr Zeit zu nehmen - Paul D. könnte sich von den Kleinen eine Scheibe abschneiden! ;) - und damit die Spielstärke mehr zur Geltung zu bringen.
Dieses Mal startete die WK III (Jahrgang 95 und jünger) vor den "Kleinen" und nach bereits wenigen Minuten konnte ich zufrieden feststellen, dass die Mannschaft meine Worte in Taten umsetzen würde. Es deutete alles auf ein glattes 4:0 hin, welches später auch eintraf. Doch eben diese wenigen Minuten reichten bereits aus, um eine Katastrophe bei den "Kurzen" entstehen zu lassen! Das 2. Brett befand sich im tiefsten "Mittelspiel", hatte eine Dame weniger und seine Uhr zeigte an, dass er gerade einmal eine Minute "verbraucht" hatte. Auch der bis dato grundsolide Erstklässler am 3. Brett (3/3) hatte sich von der Dame verabschiedet, schien dafür aber wenigstens ausreichend Kompensation zu verfügen, sofern das bei den Grundschülern überhaupt eine Rolle spielt. Und auch das Spitzenbrett durfte einen Druck aushalten, der definitiv keinen Spaß machte. Hier zeigte sich, dass sie die Schülers ihres Lehrers sind und deshalb mehr einstecken können, als die anderen austeilen, weshalb ich am Ende einen 3,5:0,5-Sieg unterschreiben durfte. Puh!!
Die folgende Runde bescherte den "Stephanern" den Tabellenführer und Titelverteidiger aus Wertingen. Natürlich bedurfte es nicht vieler Worte, denn es war klar, dass ein Sieg Pflicht war, um weiterhin ein Wörtchen um die Meisterschaft mitreden zu können. Hier hätte ich mir einige Minuten Zeit nehmen müssen, um meine Wackelkandidaten besser vorbereiten zu können, doch leider fehlten mir diese, weil schon die nächste Runde bei den "Kleinen" anstand. Diese Konstellation erwies sich letztlich für die "Großen" als absolut schädlich, denn sie kamen nicht über ein 2:2 hinaus - Julian erlaubte sich ausgerechnet hier sein einziges Remis! -, womit die Meisterschaft angesichts der Wertinger Brettpunkte faktisch gelaufen war. Anders dagegen die Situation bei den "Kleinen", die nicht nur erstmals eine Veranstaltung dieser Art besuchten, sondern auch die ganze Zeit über vom Titelverteidiger aus Illertissen gejagt wurden. Dieser hoffte nach einer etwas überraschenden Niederlage, dass die Drei-Auen-Schüler sich ebenfalls einen Ausrutscher erlauben würden und raste so von Sieg zu Sieg. Allerdings gaben sich meine Recken keiner Blöße hin, zumindest nicht in der 5. Runde, und fuhren mit 3:1 den fünften Sieg in Folge ein. Nur das 2. Brett stellte beim Weltrekordversuch im Ziehen zum wiederholten Male die Dame ein, was bei mir nicht ganz so gut ankam!
Während sich die "Stephaner" mit drei leicht erspielten Siegen problemlos den 2. Platz sicherten, boten die Grundschüler eine Vorstellung, die Altmeister Hitchcock nicht besser in Szene hätte setzen können! Mit einem Sieg in der vorletzten Runde hätte nämlich alles klar gemacht werden können, doch schienen sich die Kinder für das strenge Training revanchieren zu wollen. Denn kaum waren wenige Sekunden gespielt, schon hatte unser "Mann" am 2. Brett zum dritten Mal in Folge die Dame eingestellt, was bei mir innere Tobsuchtsanfällte auslöste. Auch sah sich das Spitzenbrett mit einer Eröffnung konfrontiert, deren Ideen ihm verborgen blieben, weshalb auch hier nicht unbedingt Gutes zu erwarten war. In der Folge kapitulierten diese beiden Spieler und konnten sich bei den "Kleinen" der "Kleinen" dafür bedanken, dass letztlich ein 2:2 erzielt wurde.
In der letzten Runde kam es dann endlich zum direkten Aufeinandertreffen der Drei-Auen-Schule und dem Titelverteidiger! Die Ausgangslage war klar, nur nicht verlieren. Da aber ein Spiel auf Remis nicht in Betracht kam, schon rein psychologisch nicht, ich ja im Vorfeld allen untersagt hatte, in ein Unentschieden einzuwilligen, sofern damit der Mannschaftssieg nicht gesichert sei, gab ich die Direktive aus, einen weiteren Sieg einzufahren. Soweit die Theorie!
In der Praxis sah das allerdings so aus, das das 1. Brett wieder einmal mit der Eröffnung nich zu Rande kam - ganz der Vater; es handelt sich hierbei nämlich um meinen älteren Sohn - und schon recht früh in Nachteil geriet. Wenigstens spielte er aber noch und hatte nur einen Bauern weniger. Anders stellte sich dagegen die Situation am am 2. Brett dar, wo es unserem Spieler tatsächlich gelungen war, zum vierten Mal (!!!) hintereinander die Dame in der Eröffnung einzustellen. Und wieder betrug der Zeitverbrauch nur Sekunden. Welche Gedanken mir zu diesem Zeitpunkt durch den Kopf gingen möchte ich hier lieber nicht schreiben. Doch wer schon eine solche Situation mitgemacht hat, der wird mich verstehen können. Es dauerte auch nicht lange und wir lagen 0:1 zurück, was aber der kleine Bruder des Spielers ausglich. 1:1! Doch leider trat anschließend das ein, was schon seit geraumer Zeit abzusehen war, nämlich die Aufgabe am 1. Brett, womit alles vom jüngsten Spieler am 3. Brett abhing. Er hatte sich einen deutlichen Vorteil erarbeitet, wandte strategische Prinzipien an, die wir noch überhaupt nicht behandelt hatten und ließ sich Zeit bei der Verwertung seines Vorteils. In seiner Verzweiflung griff der Gegner mit einem Läufer die Dame an. Seelenruhig schaute sich der kleine Mann die Stellung an und entschloss sich mit dem Turm zu ziehen! An dieser Stelle konnte ich ein zufriedenes Lächeln beim gegnerischen Betreuer feststellen, der wohl wie die meisten umstehenden davon ausgegangen war, dass nun die Dame des Weißspielers verlustigt ginge. Allerdings wurden sie alle eines besseren belehrt, denn unser Kleinster packte einen Fünfzüger aus, der nicht nur seine Dame rettete, sondern ihm auch ganz nebenbei zwei Läufer einbrachte. Den Rest wickelte er ganz souverän ab, erzielte den dringend benötigten zweiten Brettpunkt und sicherte so die Meisterschaft!! Super!
Anmerkungen:
- Insgesamt nahmen 54 Mannschaften an dieser Veranstaltung teil, aber nur vier aus Augsburg, was ich bedenklich finde
- Zwar bin ich offiziell 36 Jahre alt, fühle mich aber nach diesem Turnier um ca. 15 Jahre gealtert, sodass ich nach der Landesmeisterschaft wahrscheinlich nur noch Seniorenturniere bestreiten werde
- Es freut mich außerordentlich, dass bei den meisten wohl doch mehr hängen geblieben ist als ich dachte
- Die Spielbedingungen waren ordentlich, was Klassenzimmer eben so hergeben, doch hätte ich mir die Siegerehrung in einer größeren Nähe zum Turnierende gewünscht - Heimfahrt
Einzelergebnisse:
WK III (Jahrgang 95 und jünger)
1. Brett: Julian Niedermayer 6,5/7; spielte wie gewohnt stark
2. Brett: Noa Niemann 4,0/7; unser einziges Mädchen, das leider alle
Weißpartien verlor
3. Brett: Evander Hammer 6,0/7; mit zehn Jahren der jüngste Spieler im
Team, an dem wir sicher noch viel Freude
haben werden
4. Brett: Benedikt Mayr/ 2,0/3; hier wechselten sich zwei Spieler ab, die
Max Leukhart 3,0/4; beide eine sehr ordentliche Leistung
ablieferten und auch im kommenden Jahr
eine wichtige Rolle spielen werden
Grundschule:
1. Brett: Zarko Vuckovic 3,0/7; er hatte einige schwere Kaliber an eins
2. Brett: Denis Nürnberg 4,0/7; kostete mich viele Nerven - siehe oben
3. Brett: Robert Vuckovic 7,0/7; phantastische Leistung; wirkte auch stets
souverän
4. Brett: Thomas Nürnberg 7,0/7; ebenfalls beeindruckend, wobei das eine
oder andere Mal noch Glück im Spiel war
Endstand in der WK III:
1. Gymnasium Wertingen 13:1 26,0
2. Gymnasium bei St. Stephan Augsburg 11:3 21,5
3. Kolleg der Schulbrüder Illertissen 10:4 20,0
4. Bernhard-Strigel-Gymnasium Memmingen 10:4 16,0
5. Allgäu-Kempten I 8:6 17,5
6. Dr.-Max-Josef-Metzger-RS Meitingen 5:9 9,0
7. Werner-vonBraun-Gymnasium Friedberg 5:9 7,5
8. RS An der Salzstraße Kempten 3:11 8,5
9. Staatliche RS Vöhringen 3:11 8,0
10. Wittelsbacher RS Aichach 2:12 6,0
Hinsichtlich der Endtabelle bei den Grundschülern verweise ich auf Eckis Beitrag vom 21.11.2009.