... Es ist ein königliches Spiel.

Als ich letztens ein bisschen in Sachen Schach im Internet stöberte, stieß ich auf folgendes Zitat von "Bobby" Fischer:

 

„Im Schach nämlich geht es darum,

das Ego des Gegners klein zu kriegen,

es zu zerbrechen und zu zermahlen,

seine Selbstachtung zu zertreten und zu verscharren

und seine ganze missachtenswerte sogenannte Persönlichkeit

ein für alle Mal tot zu hacken und zu zerstampfen

und dadurch die menschliche Gesellschaft

von einer stinkenden Pestbeule zu befreien.

Es ist ein königliches Spiel.“

 

Das fand ich bemerkenswert!

 

Einerseits dachte ich mir sofort: „Ja, darum geht es, den Gegner durch geistige Überlegenheit in die Knie zwingen - welch ein erhebendes Gefühl.“

Andererseits war ich, nachdem ich weiterlas und das Gelesene durchdachte, zunehmend irritiert über die Gnadenlosigkeit und Härte, die Fischer mit seinen Worten bezeugt.

 

Warum spiele ich Schach?

 

Schach ist ein intellektueller Kampfsport.

Die eigenen 16 Figuren gegen die gegnerischen 16 Figuren auf 64 Feldern geschickt so in Stellung zu bringen, dass sie das Geschehen beherrschen. Taktiken und positionelle Winkelzüge, strategische Finessen. Am Ende ein elegantes Mattsetzen des gegnerischen Königs. Die unendlichen Möglichkeiten dabei, die Herausforderung, die Komplexität und Genialität dieses Spiels, all das fasziniert mich und übt fast eine suchtartige Wirkung auf mich aus.

Natürlich will ich gewinnen. Und wenn ich in den Ring steige, ist es selbstverständlich meine Absicht, den Ring als Sieger zu verlassen.

Ich habe als Jugendlicher viele Jahre Tae Kwon Do gemacht - ebenfalls ein Kampfsport. Es war eine tolle Zeit!

Was ich damals gelernt habe, war, dass es in Wahrheit nur einen Gegner gibt - einen selbst. Und um auf das Zitat von Fischer Bezug zu nehmen: Meiner Meinung nach ist es nicht das Ego des Gegners, es ist das eigene Ego, welches es zu besiegen gilt.

 

Der geistige Weg - wofür das „Do“ (Dào = Pfad) im Namen einiger asiatischer Kampfsportarten steht - macht aus dem Schüler dann einen Meister, wenn er gelernt hat, sich selbst, seinen Gegner und das, was er tut, zu achten. Geschieht dies, behalten Gewinner und Verlierer am Ende des Kampfes beide ihre Würde.

Erlernt der Schüler nur die Fertigkeiten des Meisters, ohne jedoch die entsprechende Weisheit und Achtsamkeit zu entwickeln - ohne Charakter, so wird er zu einer Waffe, unmenschlich und gefühllos. Etwa so, wie in dem Zitat.

 

Schach ist auch ein Spiel, das sollte man nicht vergessen. Der Wunsch zu spielen, ist tief in unserer menschlichen Seele verankert, spielerisch lernen wir als Kinder Dinge, die wir als Erwachsene brauchen, spielen kann auch völlig zweckfrei sein, das Spielen erst macht uns zu sozialen Wesen. (Betrachten wir die Elefanten, wie sie in Ihrer Herde spielen, geht uns das Herz auf und wir können erahnen, welch ausgeprägt soziale und wundervolle Wesen Elefanten sind. Ebenso die Delfine, die bekanntlich ein Leben lang spielen, und zu den intelligentesten Tieren auf unserem Planeten zählen.)

Zum Spiel gehört der Spaß und auch im Schach sollte der Spaß nicht fehlen, ansonsten ist etwas schief gelaufen.

 

Mein Sohn Daniel hat kürzlich in der Jugend-Kreis-Einzel-Meisterschaft (U14) eine Partie gewonnen. Sein Gegner, der Verlierer, hat anschließend bitterlich geweint. Durchaus nichts ungewöhnliches. In diesem Alter ist die Frustrationstoleranz erfahrungsgemäß gering und es fällt besonders schwer mit Niederlagen umzugehen. Ein guter Verlierer zu sein ist aber auch für viele Erwachsene nicht einfach. Man braucht ein gutes Gefühl von sich selbst, um sich in unserer leistungsorientierten und perfektionistischen Gesellschaft angesichts einer Niederlage nicht wertlos und als Versager zu fühlen.

Welches Urteil fällen wir über unseren Gegner bevor wir uns ihm Gegenüber ans Brett setzen? Wie beurteilen wir uns selbst? Und wie fühlen wir uns dabei?

Wie betrachten wir den Gegner, nachdem dieser verloren hat? Fühlen wir uns als Gewinner gar wertvoller als den Anderen? Das hielte ich für ungut.

Wenn ich also insbesondere und vor allem aus den im Zitat beschriebenen Gründen Schach spielen würde? Die Gesellschaft müsste, je nachdem wer gewinnt bzw. verliert, entweder von meiner oder der missachtenswerten Persönlichkeit meines Gegners befreit werden. Klingt gruselig.

Unsere Haltung überträgt sich auf unsere Kinder!

 

Mein Vater hat niemals in seinem Leben eine Sportart betrieben um seinen Gegner zu besiegen, geschweige denn seinen Gegner klein zu machen, zu zerbrechen, seine Selbstachtung zu zertreten oder dergleichen. Er hat mir beigebracht, dass es Freude macht einen Sport zu betreiben, sich dabei mit anderen zu messen, und dass das Gewinnen dabei nicht an erster Stelle steht.

Erfolgreich sei man dann, wenn man sich diese Freude erhalte und seine eigene Leistung stetig verbessere. Dies schaffe Selbstwert und Zufriedenheit.

(Mein Vater ist übrigens leidenschaftlicher Bridge-Spieler und mein Großvater, dass habe ich leider erst vor 2 Jahren erfahren, muss ein starker Schachspieler gewesen sein.)

 

Wenn man im Schach verliert, kann man nur seine eigene Schwäche, seine eigenen Fehler dafür verantwortlich machen. Es hat mit dem Gegner im Grunde genommen gar nichts zu tun.

 

Mir wurde klar, dass dieses Zitat nicht wirklich etwas über Schach aussagt, sondern nur über Fischer selbst.

 

Zurück zu ihm:

Robert James „Bobby“ Fischer war ein amerikanischer Schachspieler. Er wurde 1943 in Chicago geboren. Er wuchs in Brooklyn, New York auf, während seines Lebens wechselte er häufig seinen Wohnort, darunter Kalifornien, Ungarn, Japan, Schweiz, die Philippinen und schließlich Island.

Er war ein Genie und gilt auch heute noch als einer der besten Schachspieler aller Zeiten. Bereits im Alter von 15 Jahren wurde ihm der Titel eines Großmeisters verliehen. Von 1972 bis 1975 war er der 11. Schachweltmeister. Den Titel gewann er im ‚Match des Jahrhunderts‘ (ein Kampf der Systeme des Kalten Krieges, in dem sich Amerika und die Sowjetunion gegenüber standen) gegen den damals amtierenden Weltmeister Boris W. Spasski. Da er sich von der Welt und vom Schach zurückzog, wurde er nie in einem Weltmeisterschaftskampf besiegt, der Titel wurde ihm aberkannt, zu seinem Nachfolger wurde Anatoli Karpow ausgerufen. Seine Verdienste im und für den Schach sind unbestreitbar.

So erfolgreich Fischer im Schach war, so schwierig verlief sein Leben jenseits des Schachs. Über seinen leiblichen Vater ist man im Ungewissen, er wuchs gemeinsam mit seiner Schwester bei seiner alleinerziehenden Mutter auf. Reuben Fine, ein Schach-Großmeister und Weltklassespieler, Bekannter von Fischer und Psychoanalytiker, diagnostizierte schwerwiegende psychische Probleme bei Fischer. Das Schachspiel soll laut ihm, Fischer ermöglicht haben, mittels seiner Erfolge, erlittene Kränkungen zu rächen und Machtphantasien auszuleben.

Selbst Amerikaner jüdischer Herkunft, machte er mit wiederholten antiamerikanischen und antisemitischen Äußerungen negative Schlagzeilen. Er äußerte sich sehr negativ über Frauen im Schach. Er war Exzentriker, Verschwörungstheoretiker und litt unter Paranoia.

Infolge eines Sanktionsbruches und vermuteter Steuerhinterziehung konnte Fischer in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts ohne Strafverfolgung nicht mehr in die USA zurückreisen. 2004 wurde sein amerikanischer Pass für ungültig erklärt und er wurde in Japan inhaftiert. Aus humanitären Gründen gewährte ihm die isländische Staatsregierung 2005 politisches Asyl und bürgerte ihn ein. Dort verbrachte er, gesundheitlich geschwächt, seine letzten Lebensjahre und starb 2008, im Alter von 64 Jahren (64 Felder hat das Schachbrett) an einem Nierenversagen.

Eine tragische Geschichte.

 

Fischer soll übrigens auch gesagt haben: „Schach ist besser als Sex.“

An dieser Stelle muss ich Einspruch erheben. Das tut mir leid für ihn. Darüberhinaus: Beim Sex gibt es bekanntlich zwei Gewinner, nicht Einen!

 

Ich bin seit etwa 2 Jahren Mitglied im Schachklub Kriegshaber und habe mittlerweile so manchen Schachspieler aus unserem und aus anderen Vereinen mehr oder weniger gut kennengelernt. Jeder hat seine eigene Geschichte und auch seine eigene Motivation Schach zu spielen. Ich bin froh, dass es zahlreiche Spieler gibt, für die obiges Zitat nicht als Maßstab gilt.

 

Wenn Schach ein königliches Spiel ist, dann sollten wir dieses Spiel würdigen, indem wir uns und unsere Gegner achten.

(Es ist wohl auch deswegen ein königliches Spiel, weil der König, obwohl mattgesetzt, doch unangetastet bleibt.)

Der Wunsch, den Gegner zu besiegen ist ehrenhaft, und sich am Sieg zu erfreuen vollkommen in Ordnung. Auch Ärger, wenn man verloren hat, ist berechtigt, aber bitte über die eigene Schwäche und eben nicht über den Gegner. Freundlichkeit, ein Lächeln, Gelassenheit, dem Gegner im Falle einer Niederlage aufrichtig zu gratulieren, sich möglicherweise sogar mit ihm zu freuen, auch das ist mehr als nur eine schöne Geste.

All das macht uns - jenseits unserer technischen Fertigkeiten - fraglos zu besseren Spielern. Und wird unsere Freude am Spiel vermehren.

 

Es lag mir am Herzen, meine Gedanken mit euch zu teilen, und ich danke euch für euer Interesse.



Autor dieser Meldung:Patrick,Dr. Kreisberger
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Kommentare zu dieser Meldung:

Name und ZeitpunktKommentar
WolfgangMalcher schrieb am 10.11.2017 gegen 15:35 Uhr Und wenn ich noch etwas hinzufügen darf... Schach ist ein gerechtes Spiel - es gibt genauso viele Sieger wie Verlierer!
StefanKiechl schrieb am 11.11.2017 gegen 20:30 Uhr Herzlichen Dank für den bemerkenswerten Artikel!
Lothar schrieb am 11.11.2017 gegen 22:39 Uhr Lieber Patrick, vielen Dank für diesen ungewöhnlich schönen Artikel. Darin steckt so viel Wahres!
Manfred schrieb am 12.11.2017 gegen 12:39 Uhr Prima Analyse !

Dein Kommentar zu der Aussage:

Fischer soll übrigens auch gesagt haben: „Schach ist besser als S e x.“

gefällt mir am Besten :-)





Internetmythen schrieb am 25.11.2017 gegen 13:33 Uhr Ich finde zum langen Ausgangszitat nur einen Teil, den ich anscheinend nicht auf Englisch schreiben kann, sinngemäss:

Ich mag den Augenblick, wenn ich das Ego eines Mannes breche.

Gibt es zum _gesamten_ Ausgangszitat eine englischsprachige Quelle?
Oder handelt es sich hier schlicht um Rufmord auf Grund oberflächlicher Recherche?
PatrickKreisberger schrieb am 25.11.2017 gegen 23:01 Uhr Zum anonymen Kommentar (Internetmythen):
Danke für den Beitrag.
Wenn man Fischers Biographie anschaut und liest, was er über Schach und andere Themen gesagt hat, so finde ich es zumindest glaubhaft, dass dieses Zitat so oder ähnlich von ihm stammt. Den Vorwurf „Rufmord aufgrund oberflächlicher Recherche“, halte ich nicht für gerechtfertigt. Es ist neben dem Internet auch in Büchern und Zeitungen (Süddeutsche, Zeit, Spiegel u.a.) einiges über Fischer zu finden, was ich gelesen habe. Abgesehen davon habe ich kein abfälliges Wort über Fischer fallen gelassen! Vielmehr war es mein Anliegen, meine Gedanken über dieses Zitat und das Schachspiel im Allgemeinen zu teilen. Es steht jedem Frei sich selbst Gedanken zu machen und eine eigene Meinung zu bilden.
Selbst wenn Fischer nur „das Ego eines Mannes brechen“ wollte, so hätte ich in meinen Ausführungen doch genau das Gleiche geschrieben.
WolfgangMalcher schrieb am 12.09.2023 gegen 22:21 Uhr Ein Philosoph hätte diesen Artikel auch nicht besser schreiben können. Wie zutreffend!


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