Kriegshaber III wird schockgefrostet

Knappe Niederlage gegen die SG Augsburg II

Genau eine Woche vor Weihnachten, am 17.12.2022, stand der dritte Spieltag in der Kreisliga I auf dem Programm, wobei wir auswärts gegen die zweite Mannschaft der SG Augsburg 1873 antreten mussten. Vor dem Match lagen wir zwar mit 4:0 Mannschaftspunkten an der Tabellenspitze; das war aber insofern etwas schmeichelhaft, als wir in den ersten beiden Runden genau gegen diejenigen Teams gespielt hatten, die nun am Tabellenende lagen. Die richtig harten Brocken sollten erst noch kommen.

Zwar schaffte es Eckhardt trotz widriger Umstände, uns für das Match ein komplettes Achterteam zurecht zu basteln, allerdings war das schon eine arg zurechtgestutzte Truppe: Aus der Stamm-Acht hatten wir sage und schreibe vier Absagen zu kompensieren und mussten deshalb sogar dankbar sein, dass wir auf drei Leute aus den Teams Kriegshaber V und VI zurückgreifen konnten. Zusätzlich half uns von Kriegshaber IV noch deren Frontmann Werner Krammer aus.

Dagegen trat die SG Augsburg II beinahe in Bestbesetzung an - dort fehlten nur die Bretter 1 und 3, und diese wurden durch die Meldenummern 9 und 11 auch noch ziemlich stark ersetzt. Ich war deshalb nicht besonders zuversichtlich, dass wir die Tabellenspitze würden verteidigen können. Aber die Partien werden natürlich nicht auf dem Papier, sondern auf den Brettern entschieden. Also frisch ans Werk:

Brett 1:
Hier spielte unser Grandseigneur Detlev Keymling mit Weiß gegen SGA-Urgestein Ernst Buckel. Die Eröffnung war irgendwas Geschlossen-Damenfianchetto-Artiges. Keine Ahnung, ob es das auf Meisterebene in dieser Form gibt, aber aus meiner Warte vom Nebenbrett aus sah es zunächst recht solide aus. Nach einer Stunde Spielzeit schien mir, der Gegner habe gewisse Probleme mit der Entwicklung seines schlechten Damenläufers. Eine weitere Stunde später hatte Schwarz es dann jedoch geschafft, in einem komplizierten Mittelspiel mitten im weißen Lager auf d3 einen Freibauern hinter den feindlichen Linien einzupflanzen, und der konnte auf die Schnelle auch nicht liquidiert werden. Als sich der Pulverdampf etwas gelichtet und Schwarz seinen Lc8 befreit hatte, war Detlev mit einem Minusbauern in einem Turm-Läufer-Endspiel gelandet (Läufer gleichfarbig). Bei meinem nächsten Rundblick hatte Detlev dann einen glatten Läufer weniger; kurz darauf streckte er die Waffen. Der Punkt ging klar verdient an die SGA; hier war der Gegner halt einfach besser. Aber Detlev hatte jedenfalls tapfer gekämpft.

Brett 2:
Das zweite Brett war diesmal für das Duell der beiden Mannschaftskapitäne reserviert. Euer Berichterstatter (Lothar Weimer) musste hier mit Schwarz gegen Altmeister Stefan Januschke antreten. Unserem Alter angemessen spielten wir beide ganz klassisch, im Stile der altehrwürdigen Meister, und wählten eine schon tausendfach erprobte Französisch-Variante. Ich fühlte mich eigentlich im Verlauf der Partie zunehmend wohl, konnte auch das Problem meines franzosen-typischen schlechten Lc8 lösen und kam schließlich sogar in Vorteil, nachdem das komplette weiße Bauernzentrum zerbröselt war. Irgendwann standen auf e5 und d5 zwei stolze schwarze Mittelbauern und beherrschten die Mitte des Bretts. Laut Stockfish hatte ich zwischenzeitlich mal einen zum Gewinn locker ausreichenden Stellungsvorteil von plus Vier-Komma-irgendwas. Aber auch so ein Vorteil lässt sich ganz problemlos durch einen einzigen hastigen Zug wieder zunichte machen, wie ich überzeugend nachwies: Als mein Gegner mit einem Qualitätsopfer die Notbremse gezogen hatte, führte ich ganz flott einen Bauernvorstoß aus, ohne meine Berechnung nochmal kritisch überprüft zu haben - und wurde prompt von einem Zwischenschach des Gegners überrascht, das die Stellungsbewertung sofort wieder egalisierte. Wenige Züge später schlossen wir Frieden und widmeten uns gemeinsam den noch laufenden Partien.

Brett 3:
Tommi Städele neben mir hatte am dritten Brett die weißen Steine und bekam eine Caro-Kann-Verteidigung vorgesetzt. Nach einer Stunde Spielzeit war hier noch das Bemerkenswerteste, dass sein Gegner seit einer Viertelstunde im 30-Sekunden-Takt regelmäßig laut vernehmbare "Doppel-Hüstler" von sich gab, so dass ich mir schon Sorgen machte, ob er womöglich Corona-infiziert sei. Aber die hinzugeeilte Ulla Münch beruhigte meine Bedenken sogleich, indem sie glaubhaft versicherte, es handele sich hier lediglich um ein von innerer Anspannung ausgelöstes Stress-Symptom dieses Spielers, das sei bei ihm normal und seit Jahren bekannt. Tatsächlich kehrte nach dieser Klärung auch sofort Ruhe ein. - Tommi eroberte später einen halben Mehrbauern (halb, weil verdoppelt und Verwertbarkeit sehr fraglich). Nach langem Kampf gab er im Turmendspiel den Bauern zurück, hatte sich dafür aber inzwischen einen nicht mehr zu stoppenden Freibauern verschafft, was ihm letztlich den ganzen Punkt einbrachte. Dies war die längste Partie des Abends.

Brett 4:
Denys Filin spielte mit Schwarz ein Wolga-Gambit, postierte idealtypisch seine Türme auf a8 und b8 und übte danach den thematischen Druck auf den weißen Damenflügel aus. Später schob er auch den c-Bauern nach c4 vor und drohte, auf dem dadurch gewonnenen Stützpunktfeld d3 seinen Springer einzupflanzen. Es ist wirklich erfrischend, jemanden im Team zu haben, der die von ihm gespielten Eröffnungen offenbar tatsächlich verstanden hat (da sollte ich mir mal eine Scheibe davon abschneiden...). Allein, der Gegner hielt über viele Züge hinweg nicht nur dem schwarzen Stellungsdruck stand und wehrte dabei präzise sämtliche Drohungen ab, sondern er hielt auch noch eisern den Wolga-Mehrbauern fest und erreichte ein lehrbuchmäßiges Turmendspiel mit freiem a-Bauern: Weißer Turm hinter dem Freibauern, der schwarze Turm blockiert, dazu am Königsflügel 3:3 Bauern. Nachdem der weiße König einen (entscheidenden?) Schritt schneller als der schwarze war und es schaffte, zum Freibauern zu gelangen und dabei den Blockadeturm anzugreifen, hielt ich das Turmendspiel für nicht mehr haltbar für Denys. Ob das wirklich stimmt, habe ich nicht überprüft, aber dass Weiß danach am Königsflügel noch zwei Bauernpaare tauschte, hat vermutlich dessen Siegchancen eher verringert. Jedenfalls verteidigte Denys zäh und geschickt; am Ende verschwanden die Türme, und beide Spieler holten sich je eine neue Dame - nur war das Damenendspiel mit dem Freibauern auf der a-Linie dann für Weiß absolut nicht mehr zu gewinnen. Der schwarze König stand vor dem Bauern - es drohte Dauerschach, und jeder Damentausch hätte zu einer Standard-Remisstellung mit dem Randbauern geführt. Ein hart erkämpfter halber Punkt und ein wohlverdientes Schulterklopfen für Denys.

Brett 5:
Keine Ahnung, in welche Schublade man das einsortiert, was Werner Krammer da mit Weiß gegen Oda Lorenz aufbaute. Ich vermute, am ehesten unter Reti-Eröffnung. Beide spielten konzentriert und solide; zwischendrin notierte ich mir mal für diesen Bericht hier folgendes: "Material gleich, TLS:TLS, Werner 2:1 B auf D-Flügel - steht solide, aber wohl nicht besser, 1/2 ist wahrscheinlich". Das trifft es ziemlich gut, Remis wäre hier defnitiv das gerechte Ergebnis gewesen. Umso überraschter war ich, als Werner plötzlich den ganzen Punkt meldete. Auf Nachfrage erklärte er, seine Gegnerin habe einfach ihren Turm eingestellt. Tja, dieser ganze Punkt war wahrlich ein Geschenk, das wir gut gebrauchen konnten.

Brett 6:
Rosemarie Sodbakhsh half bereits zum zweiten Mal in der dritten Mannschaft aus und spielte diesmal gegen Zacharias Janowitz. Von der DWZ her war sie eigentlich leicht favorisiert, aber sie wählte mit der Marshall-Verteidigung des Damengambits (1.d4 d5 2.c4 Sf6) eine etwas halbseidene Variante. Nach meiner Erfahrung bekommt Weiß hier ohne jedes eigene Risiko immer einen lange anhaltenden Vorteil, da Schwarz auf den zentralen Tausch cxd5 ja nicht mit einem Bauern zurücknehmen kann und die zurückschlagende Figur später unter Tempogewinn verscheucht wird. Außerdem fehlt Schwarz der wichtige Stützpunktbauer d5. Benannt ist die Variante nach dem amerikanischen Großmeister und Vorkämpfer Frank J. Marshall, der gerne auch mal mit ein paar krummen Zügen experimentierte - nicht alles davon hat allerdings die Prüfungen der Zeit überdauert. - Rosi geriet im Mittelspiel in einen gefährlichen Angriff des Weißen, der nach einem Figurenopfer schließlich unparierbar war. Tja, Lost in Space - dieser Punkt ging leider auch ziemlich verdient an den Gegner.

Brett 7:
Hier trat, soweit ich es nachvollziehen kann, Stefan Tiefenböck zum ersten Mal überhaupt als Ersatzspieler für Kriegshaber III an. Herzlichen Dank dafür an dieser Stelle! - In seiner Sizilianisch-Partie gegen die sehr erfahrene Bundesliga-Spielerin Ulla Münch baute er sich für meinen Geschmack allerdings viel zu passiv auf. Ulla nahm den Raum, den der Gegner ihr bot, dankbar in Beschlag und postierte ihre Figuren so aktiv, dass ich mir das Ende schon ausmalen konnte - die weiße Stellung würde schon bald zusammengeschoben werden und an Luft- und Raumnot zugrunde gehen. Auch ein zeitweiser, eher symbolischer weißer Mehrbauer würde daran nichts ändern können. Und so wäre es sicher auch gekommen - Ulla war gerade mit ihrem König entscheidend in die weiße Stellung eingebrochen und fing bereits an, dort die Bauern einzusammeln. Als es aber 4:2 für die SGA stand, bot Ulla taktisch in Gewinnstellung Remis an, und da ich keinen Sinn darin sah, Stefan gegen eine klar überlegene Gegnerin "auf Verlust" weiterspielen zu lassen, riet ich ihm dazu, das Angebot zu akzeptieren, was er dann auch tat. - Noch ist dies von den Befugnissen des Mannschaftsführers ja gedeckt - aber die FIDE hat mit der jüngsten Regeländerung beschlossen, dieses Privileg der Teamcaptains abzuschaffen. Ab nächster Saison werden also solche Rückfragen beim MSF ("Ich habe ein Remisangebot, darf ich annehmen?") und dessen Antworten darauf wohl auch in den Kreisligen nicht mehr zulässig sein.

Brett 8:
Ich würde euch ja wenigstens gerne schreiben, welche Eröffnung aufs Brett kam, aber auch hier bei Bernhard Metzger (Schwarz) gegen Alexander Schuster konnte ich es nicht sicher identifzieren. Sah für mich vom schnellen Hinschauen wie was Selbstgestricktes aus, eine Art Damengambit mit vertauschten Farben. Bernhard spielte sehr konzentriert, allerdings wie schon in der Vergangenheit mit besorgniserregend hohem Zeitverbrauch. Die Stellung schien mir bei mehrmaligem Kiebitzen immer im Gleichgewicht zu sein, und beide Spieler landeten in einem Springerendspiel mit jeweils 7 Bauern auf beiden Seiten. Für mich stand fest, dass dies bei halbwegs aufmerksamem Spiel völlig ungewinnbar für beide sein sollte. Umso verwunderter war ich, als die Protagonisten noch ewig weiterspielten. Ich dachte zunächst, dass Bernhard mal wieder versuchte, mit der Brechstange eine absolute Remisstellung doch noch zu gewinnen, wie ich es bei ihm erst kürzlich mal gesehen hatte. Einerseits ja sehr löblich, wenn einer nicht immer gleich nach 10 Zügen ein Angst- oder Großmeisterremis anbietet, sondern noch echten Kampfgeist hat. Aber hier war der Drops eigentlich schon gelutscht - dachte ich. Irgendwie hat sich Bernhard dann aber leider doch noch von seinem Gegner besch... lassen und verloren. Auf der Rückfahrt im Auto sagte er mir dann hinterher, dass er durchaus Remis angeboten hatte; es sei der Gegner gewesen, der abgelehnt habe. Schade, hier wäre ein halber Punkt gerecht gewesen.



 
 SGA2-KRI3_Einzelergebnisse

 

Fazit:
Und so kam es, dass unser stark geschwächtes Kriegshaber-Team bei eisigen Außentemperaturen (-5 °C) von der SGA quasi schockgefrostet wurde. Mit 3½:4½ fiel die Niederlage nur dem Anschein nach knapp aus. Betrachtet man jedoch die Einzelleistungen, dann hätten wir durchaus auch noch deutlicher verlieren können (z.B. ohne Odas Turmeinsteller und Ullas taktisches Remis, um den Mannschaftssieg sicherzustellen).

Witziges Detail: Durch den Sieg der SGA sind nun in der Kreisliga I drei Teams mannschafts- und brettpunktgleich an der Spitze (jeweils 4:2 Punkte und 13½ BP), nämlich SG Augsburg II, Kriegshaber III und Schachfreunde IV. Das wird also eine spannende Rest-Saison im neuen Jahr 2023...

Ich wünsche Euch allen friedliche und erholsame Festtage!

Euer Spielleiter
Lothar Weimer



Autor dieser Meldung:Lothar Weimer
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Kommentare zu dieser Meldung:

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Florian schrieb am 19.12.2022 gegen 19:53 Uhr Das ist wirklich schade! Aber Ihr habt wacker gekämpft und Euch teuer verkauft! Ich hoffe, beim nächsten Mal wieder dabei sein zu können.
Florian schrieb am 19.12.2022 gegen 19:53 Uhr Das ist wirklich schade! Aber Ihr habt wacker gekämpft und Euch teuer verkauft! Ich hoffe, beim nächsten Mal wieder dabei sein zu können.


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